Mit einem Leserbrief am 18. März 2013 in der OTZ hat Ex-Landrat und CDU- Kreistagsmitglied Dr. Werner Thomas aus Rudolstadt erneut deutlich gemacht, dass seine Wahrnehmung für gesellschaftliche Realitäten nicht nur in den 90er Jahren stark getrübt war, sondern dieser Zustand offensichtlich bis heute anhält. Thomas übt sich erneut gemäß der Extremismustheorie in einer Rechts-Links-Gleichsetzung, die bereits damals maßgeblich mit dazu beitrug, dass neonazistische Gefahren verharmlost wurden, der Thüringer Heimatschutz groß wurde und in diesem der NSU entstand. Den schwarzen Peter schiebt er erneut anderen zu, obwohl er doch einer derjenigen ist, die eine nicht unerhebliche gesellschaftspolitische Mitverantwortung für die Fehler der 90iger Jahre tragen, welche der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages erst kürzlich in seinem Zwischenbericht herausgearbeitet und öffentlich bekannt gemacht hat. Weiterlesen: In die Fehler der 90iger Jahre und in die Amtszeit des ehemaligen Landrates Dr. Werner Thomas fällt auch das Verbot der Anti-Nazidemo 1997 in Saalfeld. Statt konkreten Fakten beschwört er nun in der OTZ diffus eine Bedrohung von „Linksextremisten“ und dem „schwarzen Block“ herauf. Wenn Herr Thomas die Augen aufmachen würde, wie es u.a. den Mitgliedern der CDU-Landtagsfraktion im Untersuchungsausschuss gelungen ist, welche klar die Fehler der 90iger Jahre kritisieren und ins heute transportieren, dann würde er erkennen, dass die 182 Menschen, die seit der Wende aus nationalistischen, rassistischen oder sozialdarvinistischen Motiven getötet wurden nicht auf das Konto von vermeintlichen „Linksextremisten“ gehen, sondern das Ergebnis von rechter Gewalt sind. Und diese rechte Gewalt fand auch damals im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ihren Nährboden, von hier aus entstand der militante Neonazi-Dachverband „Thüringer Heimatschutz“, der wöchentliche Neonazi-Treffen und Aktionen veranstaltete und in Heilsberg sein damals größtes Waffenlager hortete. Auch Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe gehörten damals zu der Gruppe und waren hier damals oft unterwegs, nahmen an Schulungen, Rechtsrock-Konzerten und Übergriffen im Landkreis teil. Seit 2011 wissen wir, dass sie für die Ermordung von 10 Menschen verantwortlich sind. In vier Wochen beginnt nun der Prozess gegen die Mörderbande und ihre Unterstützer, während die rechte Szene für den inhaftierten NSU-Helfer Ralf Wohlleben mobil macht, Gelder sammelt, CD’s verkauft, Konzerte veranstaltet und bundesweite Solidaritätsaktionen startet. All dass organisiert durch Neonazis aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Diese sind es übrigens auch, die für Juni diesen Jahres ein Neonazi-Musiktreffen in Kahla mit 300 Anhängern organisieren und aus deren Reihen es vor wenigen Wochen in der Saalstraße in Saalfeld zu einem rechten Übergriff kam, einer der Täter, der mit einem Messer bewaffnet war posiert im Internet mit einem Solidaritätsfoto für den NSU-Helfer Wohlleben. So viel zur „Bedrohung von links“. Herr Thomas sollte sich endlich seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung stellen und Konsequenzen mindestens in Form von Selbstreflektion ziehen, statt mit jener unsäglichen Gleichsetzungsstrategie abzulenken, mit der bereits vor 16 Jahren engagierte Menschen wegen ihres Engagements gegen Rechts im Landkreis kriminalisiert und in die ‚Schmuddelecke’ gestellt wurden.
Katharina König
Leserbrief für die OTZ Saalfeld/Rudolstadt, 18. März 2013
Herr Thomas kam bereits 1997 kurz in einem TV-Beitrag zu den Vorgängen zu Wort:
Der Zwischenbericht des Untersuchungsausschusses 5/1 ist hier als [PDF, 554 Seiten, 3 MB] downloadbar.
Der Leserbrief von Herrn Thomas:
OTZ, 18.3.2013, Staatsautorität wird negiert
Zum Kommentar „Versagen und Verantwortung“ (OTZ, 12.3.13).
Versagen von Polizei, Verfassungsschutz und Innenminister (von 1994 bis 1999) hat es sicher gegeben. Da stimme ich dem Kommentator zu. Dass dieses Versagen politisch grundiert war, wenn man einmal von Herrn Dr. Dewes absieht, kann ich nicht erkennen. Gegenüber den linksextremistischen Kräften in Thüringen ist die gesamte Landesverwaltung nicht schärfer tätig als gegenüber den rechtsextremistischen.
In 22 Jahren ist die Zahl der durch Linksextremisten leicht und schwerverletzen Polizisten zu einer stattlichen Größe gewachsen. Sie kommen in der Öffentlichkeit nur nicht vor. Es ist unschick oder uncool, sich verletzten Polizisten zuzuwenden. Dabei sind fast alle Körperverletzungen der Linksextremisten keine fahrlässigen, sondern vorsätzlich begangen worden. Man kann wohl davon ausgehen, dass im rechtsextremistischen Milieu der Staat als Feind gesehen wird. Der linksextremistische Schwarze Block negiert aber in eindeutiger Weise die Staatsautorität. Insgesamt kritisiert der Kommentator eine vermeintliche Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus durch SPD- und CDU-Innenminister. Ich erlaube mir, an die Zahl der Morde, die in Deutschland seit 1949 im Namen von Links- und Rechtextremisten begangen wurden, zu erinnern. Es waren jeweils mindestens zwei Dutzend. Dabei sind die Opfer der DDR-Diktatur, die bisher politisch gesehen wurden, nicht gezählt. Den Angehörigen der Opfer ist es egal, ob Politiker oder Zeitungsmenschen Extremisten der beiden Sorten gleichsetzen dürfen. Sie müssen mit ihrer Situation klarkommen.
Dr. Werner Thomas, Rudolstadt
Die Originalmeldung, auf die sich Landrat Thomas bezog:
12.3.2013, Versagen und Verantwortung
Jens Voigt zum Zwischenbericht des NSU-Ausschusses
554 Seiten umfasst der Zwischenbericht des NSU-Untersuchungsausschusses, ein Konvolut aus Protokollstücken, Details, Anmerkungen. Und viel mehr als nur eine Materialsammlung für Historiker und Verwaltungsleute. Das Behördenversagen in der Bekämpfung von Rechtsextremismus und -terrorismus ist keine mehr oder weniger zufällige Abfolge von Pannen, Kompetenzgerangel und Futterneid der diversen Ermittler. Sondern, und das sehen nicht nur die Linken so, das Versagen war politisch grundiert. Über Jahre diktierte nicht nur die CDU, sondern auch ein SPD-Innenminister die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus. Und das nicht nur für die Sicherheitsbehörden, sondern bis in die schulische und politische Bildung hinein. Das wirkte nicht nur als Verharmlosung rassistischer und faschistoider Umtriebe, das schreckte auch viele ab, sich Neonazis entgegenzustellen.
Die ungeteilte Verantwortung für das Entstehen des NSU liegt in Thüringen, sagt Ausschusschefin Marx. Jene für eine konsequente Reaktion der Politik auch. Indem sie Polizei, Justiz und Verfassungsschutz zur Verantwortung für Fehler ruft und eigene Schuld einräumt. Und auch daran, wie Thüringen das Austrocknen wichtiger Programme gegen Rechts durch den Bund zu stoppen versucht.