Anlässlich der heute vorgestellten Statistik der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag:
„Wir erleben eine messbare Zunahme antisemitischer Vorfälle in Thüringen, welche sukzessive nun mehr seit sechs Jahren ansteigen. Sowohl RIAS als auch die Polizei haben für das Jahr 2022 entsprechende Steigerungen antisemitischer Delikte festgestellt, das ist besorgniserregend und fordert uns alle heraus, Antisemitismus konsequenter als bisher entgegenzutreten – sei es auf der Straße, im persönlichen Umfeld, auf Facebook oder aber auch in unseren eigenen Reihen quer durch die politischen Parteien. Dass sogar ein früherer Verfassungsschutzpräsident und Bundestagskandidat antisemitische Stereotype öffentlich verbreiten konnte, sollte alle Demokratinnen und Demokraten alarmieren.“
RIAS dokumentiert einen Anstieg von 212 auf 243 Vorfälle in Thüringen 2022 – ein Anstieg um 14 Prozent. Die Abgeordnete hat auch die Landesregierung nach Zahlen aus dem Polizeibereich gefragt (DS 7/8043), die hier im Hellfeld aktenkundig dokumentierten Fälle betrugen 2021 lediglich 132 Straftaten, stiegen jedoch 2022 ebenso auf 174 Fälle an – ein Plus von 32,5 %. König-Preuss weiter: „Während an RIAS neun Sachbeschädigungen im letzten Jahr herangetragen wurden, zählte die Polizei 19 Sachbeschädigungen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das tatsächliche Ausmaß antisemitischer Vorfälle in Thüringen sogar noch größer ist als RIAS und Polizei für sich jeweils ermitteln, daher ist es dringend geboten, dass die Landesregierung einen Abgleich und Austausch zwischen RIAS und Polizei wohlwollend unterstützt und die Erfassung bzw. Datengrundlage antisemitischer Delikte für den Freistaat verbessert“.
König-Preuss weiter: „Sechs Prozent aller Thüringerinnen und Thüringer vertreten laut Thüringen Monitor klar antisemitische Einstellungen, das entspricht hochgerechnet fast 130.000 Menschen im Freistaat. 40 % der Menschen im Freistaat stimmten auch sekundär-antisemitischen Äußerungen zur deutschen Schuldabwehr zu. Während der Corona-Pandemie haben sich judenfeindliche und Holocaust-verharmlosende Äußerungen verstärkt. Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine werden antisemitische Verschwörungserzählungen weiter in entsprechenden Telegram-Kanälen verbreitet. Wir müssen die Prävention stärken, das heißt auch, das Landesprogramm für Demokratie und Weltoffenheit zu verstetigen und nicht bei Haushaltsverhandlungen genau hier den Rotstift anzusetzen, wie dies Ende letzten Jahres im Thüringer Landtag zeitweise geschah. Wir müssen jüdisches Leben weiter fördern, antisemitischen Einstellungen energisch entgegentreten und gleichzeitig eine konsequente Strafverfolgung anstreben. Dabei gilt es insbesondere den 2018 erzielten Landtagsbeschluss ‚Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen‘, auch umfassend in Thüringen umzusetzen und auch die Fortbildung für Polizei und Justiz zu verbessern“.
Hintergrund: Polizeilich erfasste antisemitische Straftaten auf Basis von Antworten auf Kleine Anfragen: 2016: 48, 2017: 58; 2018: 67; 2019: 93; 2020: 116; 2021: 132 und 2022: 175