Im Thüringer Landtag sprachen am 9. Juli 2012 mehrere ehemalige Verfassungsschutz-Mitarbeiter vor dem Untersuchungsausschuss zur NSU bzw. möglichem Behördenversagen. Darunter der V-Mann Führer von Tino Brandt, der Abteilungsleiter vom Referat Rechtsextremismus und der ehemalige Präsident vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz, Helmut Roewer. Wir dokumentieren die bemerkenswertesten Aussagen der Verfassungsschutz-Zeugen.
Hier die Top 10 Aussagen des V-Mann Führers von Brandt, Herrn Wießner:
1. „Ich habe 3 rechte V-Männer angeworben und bei ca. 15 erfolglos versucht. Die 3 stammen aus Rudolstadt, Gera und Altenburg, die Anwerbung dauert pro Person ca. 3 Monate inkl. Observationen“
2. „Es gab Kollegen, die haben V-Männer direkt nach Erfurt in die VS-Zentrale gebracht oder Treffen zu Hause gemacht“
3. „Bis 98 wurden beim VS Thüringen 3 V-Leute aus der Naziszene und 2 V-Leute aus der „Linken Szene“ von den gleichen V-Mannführern betreut“
4. „Der Thüringer Heimatschutz hat nur Flyer und Aufkleber gemacht, was der V-Mann mit dem Geld gemacht hat, kann ich ihnen doch nicht sagen.“
5. „Zum Führen eines V-Mannes gehört auch, dass die Person vom Verfassungsschutz gesteuert wird
6. „Der Roewer sollte mal aus dem Amt gedrängt werden, dafür wurde ein Dossier angefordert, dazu kam es aber nicht, die Person ist kurzfristig nach einem Urlaub verstorben“
7. „Skinheads anzuwerben war eine absolute Katastrophe, die besaufen sich und können sich dann an nichts mehr erinnern“
8. „Über unsere V-Mann-Quellen wurde imVerfassungsschutz beim Cafe im Flur geplaudert, es gab kein Quellenschutz im Amt“
9. „In München haben wir uns mit dem BND getroffen, der gab Tipps für die Gründung von Tarnfirmen, da das ja nicht so einfach ist, wegen Steuern und so. Der Roewer wollte unbedingt eine Tarnfirma“
10. „Das hat mit Geldwäsche nichts zu tun.“
Im Anschluss sprach der Abteilungsleiter Rechtsextremismus Herr Schrader vor dem Ausschuss, hier seine Top 10:
1. „Die Hauptfiguren von damals waren Andre Kapke, der Mann fürs Grobe, und Ralf Wohlleben der Intelligente. Damit den beiden unsere Überwachung nicht auffällt, haben wir irgendwann eine Spurverfolgung per Flugzeug betrieben“
2. „VS-Chef Roewer ist in der 6. Etage der Verfassungsschutzbehörde einmal Fahrrad gefahren. Auf die Frage warum er das macht, antwortete er, er müsse neue Observationsfahrräder testen für die Observationskräfte“
3. „Einmal kam ich in Roewers Dienstzimmer, da standen drei Tische aneinander, mit Kerzen, Käse, Wein und 6-7 Damen drumherum, man wusste gar nicht, mit welcher er zuerst zu Gange ist. Ich sollte ihm in deren Anwesenheit geheime Dinge erzählen“
4. „Im Sommer lief der Roewer immer barfuß durchs Amt, dann lagen seine schwarzen Füße auf dem Schreibtisch, während wir uns in seinem Büro besprachen“
5. „Leider wurde das Referat 1998 von Roewer aufgelöst, so wie er das immer selbstherlich machte. Immer dann wenn er mit dem Referatsleiter ärger hatte, hat er das Referat aufgelöst und dann war das so“
6. „Wenn wir nur ein zwei Quellen haben, dann müssen wir die bei Laune halten. V-Mann Brandt hat auch Technik bekommen, Handys, Computer, Fax, Zuschüsse zum Auto. Brandt sollte nicht allzusehr nach den Dreien [NSU-Trio] nachfragen, nur rumhorchen, damit er nicht auffällt. “
7. „Roewer hatte eine eigene Quelle, die keiner kannte, die hieß Günther. Alle im Amt wussten von der Quelle Günther und dass die gut bezahlt wurde, aber keiner kannte sie“
8. „Als ich einen Beschwerdebrief über die Praxis im Amt an den Innenminister schrieb, wurde ich im Anschluss mit 7-8 Verfahren überzogen. Man hat mich zum Amtsarzt geschickt, um meine geistige Gesundheit zu überprüfen“
9. „Nach Weihnachten 1999 hat mir Roewer Hausverbot erteilt, danach war ich bis 2005 bei vollem Gehalt zu Haus. Am Anfang hab ich mich zu erst nicht so wohl gefühlt, aber nach einiger Zeit dann doch gut dran gewöhnt“
10. „Roewer und die Leiterin vom Referat Ausländerkriminalität, Frau Timpel haben selber Quellen geführt und sich eines Tages in Weimar bei einer Buchpräsentation mit Klarnamen in einem Zeitungsartikel portraitieren lassen. Eines Tages schmiss eine V-Person, geführt von der Frau einen Stein an ihre Privatwohnung. Sie durfte auf Kosten des Freistaates direkt nach Erfurt umziehen – aus Sicherheitsgründen. Und, wie sich dann herrausstellte, war sie Roewers Geliebte und wurde später seine Frau.“
Und die besten Zitate von Helmut Roewer, ehemaliger Chef vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz:
1. „Nach meiner Information hatte nicht einer der Personen im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz die notwendige Ausbildung. Außer mir.“
2. „Ich kann mich nicht mehr an die Anzahl der V-Leute erinnern, es waren vier Abteilungen die Quellen angeworben haben und es ist auch ganz normal das man Tarnfirmen installiert“
3. „Ich war zu erst im Bundesministerium für Inneres tätig, da wurde ich gefragt ob ich nicht Präsident des Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz werden möchte. Ich war demnach ein Beamter, auf den man großen Wert gelegt hat“
4. „Es gab viele im Amt die nichts konnten, und nur wenige die fortgebildet werden konnten. Ich galt als Spitzenkraft auf dem Gebiet Verfassungsschutz“
5. „Ich habe mich an verschiedenen Stellen in Jena öffentlich gezeigt, um beruhigend auf die chaotische Lage zu wirken und um Informanten nach öffentlichen Veranstaltungen zu gewinnen“
6. „Einmal musste ich disziplinarrechtlich einschreiten, da hatte einer meiner Mitarbeiter Volltrunken einen Dienstwagen zu Schrott gefahren. Hinter der freundlichen Fassade der Mitarbeiter steckt nicht immer Kompetenz.“
7. „Der Karl-Heinz Hoffmann? Das war doch der aus Kahla? Ja, den kenn ich, der hatte doch mit dem CDU-Abgeordneten Wolfgang Fiedler zu tun!“ (*)
8. „Es waren 50 Leute im Landesamt für Verfassungsschutz, von den 50 hatte keiner eine richtige Ausbildung. Meine Vorgesetzten waren der Meinung ich solle das machen [das Amt führen], sie haben mich exzellent beurteilt“
9. „Es wurde aus unserem Amt versehentlich mal ein Fax an die Grünen geschickt, mit einer Personenliste von PDS-Abgeordneten. Das Fax sollte eigentlich an die CDU gehen und war aber gar nicht autorisiert, ein Mitarbeiter hat das ohne Absprache mit mir gemacht, ich war da im Urlaub“
10. „Wie ich Verfassungsschutz-Präsident wurde? Es war an einem Tag nachts um 23 Uhr, da brachte eine mir unbekannte Person eine Ernennungs-Urkunde vorbei, in einem gelben Umschlag. Es war dunkel, ich konnte sie nicht erkennen. Ich war außerdem betrunken. Am Morgen fand ich den Umschlag jedenfalls noch in meiner Jacke.“
* Nach der Äußerung von Roewer protestierte der auch in Funktion als Untersuchungsausschussmitglied anwesende Innenpolitiker Wolfgang Fiedler (CDU), er habe nie Verbindungen zum Rechtsterroristen Hoffmann gehabt, beide kämen lediglich aus der gleichen Stadt. Die turbulente Sitzung wurde unterbrochen, anschließend revidierte Roewer mit einer halbherzigen Entschuldigung die Aussage.
Nochmaliger Hinweis: Es handelt sich (mit eventuellen kleinen Hörfehlern) um Originalzitate aus dem Untersuchungsausschuss. Auch wenn die Inhalte noch so absurd klingen mögen, sie sind (leider) wahr bzw. wurden so am 9. Juli im Thüringer Landtag durch die Verfassungsschutz-Mitarbeiter geäußert.
Bei SpiegelOnline gibt es unter dem Titel „Thüringer Neonazi-Ausschuss: Wein, Weib und Verfassungsschutz“ eine Zusammenfassung der Untersuchungsausschuss-Sitzung.
Einen Bericht vom Untersuchungsausschuss am 10. Juli 2012 gibt es hier, der Innenminister und der Staatssekretär wollten nicht für Roewers Amtseinführung verantwortlich sein, alte Kabinettsprotokolle belegen später jedoch das Gegenteil.