Anlässlich des heute gefallenen Urteils im erneuten „Turonen-Prozess“ gegen zwei bekannte Neonazis erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion Die Linke: „Es ist ein richtiges und wichtiges Signal, dass relevante Neonazi-Akteure nun jeweils zu längeren Haftstrafen von 12 bzw. 9 Jahren verurteilt wurden. Insbesondere Steffen Richter ist seit Jahrzehnten in der extrem rechten Szene in Thüringen aktiv gewesen. Er war einer der Strippenzieher der militanten Neonazi-Szene, seit Ende der 1990er u.a. im Thüringer Heimatschutz, aus dem auch der NSU entstand. Gewalttaten, große Neonazi-Konzerte, Management von Rechtsrock-Bands, Devotionalienvertrieb, internationale NS-Kontakte und der Umgang mit illegalen Schusswaffen gehen auf sein Konto.“
So überfiel und bedrohte er bspw. 2002 gemeinsam mit Ralf Wohlleben und weiteren Neonazis in Jena eine antifaschistische Kundgebung sowie anwesende Journalisten, die den Protest gegen das damals bestehende „Braune Haus“ dokumentierten. Trotz militanter Aktivitäten wurde er 2009 von der NPD für die Landtagswahl in Thüringen aufgestellt. 2014 war er mit weiteren Neonazis an einem Übergriff auf einen Wahlkampfstand von Die Linke in Saalfeld beteiligt und versuchte damals u.a. Geheiminformationen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss zu erpressen. Die Abgeordnete weist darauf hin, dass Richter nicht nur Verbindungen zu internationalen Neonazi-Netzwerken wie „Blood & Honour“ und „Hammerskins“, sondern auch eine Scharnierfunktion zur kriminellen Rocker-Szene innehatte.
König-Preuss weiter: „Steffen Richter war nicht nur einer der umtriebigsten Neonazi-Aktivisten in Thüringen, sondern zugleich ein Kopf der militanten Neonazi-Gruppierung ‚Turonen‘. Dass das Gericht nun hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft zurückblieb und die extrem rechten Hintergründe und damit die Ideologie nicht ausreichend würdigte, ist enttäuschend.“
Die fehlende Würdigung der ideologischen Hintergründe bei einem der Organisatoren der Solidaritätskampagne für den verurteilten Rechtsterroristen und NSU-Helfer Ralf Wohlleben, der auch Gelder für diesen organisierte, sei fatal. Die Abgeordnete dazu: „Es gab umfangreiche Anhaltspunkte, dass auch Drogengelder der ‚Turonen‘ in die Neonazi-Szene zurückflossen. Organisierte Kriminalität von der Neonazi-Szene zu entkoppeln, ist eine veraltete, durch die Realität lange überholte Ansicht, wie sich am Beispiel der ‚Turonen‘ zeigt.“
König-Preuss würdigt die konsequenten Ermittlungen des Thüringer Landeskriminalamtes, dem es letztlich über den Hebel der Ermittlungen wegen Betäubungsmittelhandels gelungen ist, signifikante Teile einer gefährlichen Neonazi-Struktur zu zerschlagen. Zudem dankt sie den Ermittlerinnen und Ermittlern für die Vorarbeit, die nun zur Verurteilung führte. „Das Gefahrenpotential, dass von Richter ausging, war beträchtlich, ebenso das des Mitverurteilten Markus B., der bereits wegen des Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt angeklagt war und ebenfalls zur militanten Neonazi-Szene gehört. Markus B. erklärte noch vor seiner Verhaftung öffentlich: ‚Gewalt war für uns nie nur Mittel zum Zweck, sondern schon immer Lifestyle!‘ Sowohl Steffen Richter als auch Markus B. gehörten nicht nur zu den ‚Turonen‘ bzw. ‚Bruderschaft Thüringen‘, sondern hatten auch Bezugspunkte zu extrem rechten Parteien: während der eine für die NPD kandidierte, nahm der andere an einer Demonstration der Thüringer AfD in Erfurt teil.“
König-Preuss appelliert, nicht nachzulassen und konsequenter gegen Neonazis vorzugehen. „Leider ist in Thüringen immer wieder feststellbar, dass Neonazis über Jahre und Jahrzehnte oft ungestört ihren Neonazi-Aktivitäten nachgehen können, ohne dass es entsprechende Folgen hat, so auch im Fall der ‚Turonen‘ und vorheriger Organisationen. Um Gefahren für die öffentliche Sicherheit durch Neonazis zu minimieren, muss es ein verstärktes Engagement aller Zuständigen geben. Aktuell ist es dringend notwendig, bspw. in Gera der Etablierung extrem rechter Strukturen entgegenzuwirken und ihnen das mindestens so wahrgenommene Monopol über die Straßen wieder zu entziehen“, so Katharina König-Preuss abschließend.