Am morgigen Dienstag jährt sich der Jahrestag des am 11. Juli 2018 verkündeten Urteils im NSU-Prozess zum fünften Mal. Zwischen 1999 und 2007 hatte die rechtsextremistische Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç, Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter ermordet. 2017 starb Attila Özer an den Spätfolgen des Anschlags in der Kölner Keupstraße. Katharina König-Preuss, Obfrau der beiden NSU-Untersuchungsausschüsse sowie Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, erklärt:
„Während einige der Verurteilten sich in unglaubwürdiger Selbstverharmlosung üben, erfreuen sich andere der ungebrochenen Unterstützung und Verehrung auch aus der Thüringer Neonazi-Szene. Das Netzwerk des NSU ist weiterhin nicht vollständig aufgeklärt, während die Nachfolgeermittlungen größtenteils eingestellt sind. Die entscheidenden, den NSU unterstützenden Netzwerke, wie ‚Blood & Honour‘, ‚Combat 18‘ und ‚Hammerskin‘, sind immer noch nicht wirksam zerschlagen und bedrohen weiter Menschen, die sich gegen rechts engagieren – auch in Thüringen.“
Dass die SPD-GRÜNE-Koalition in Hamburg einen NSU-Untersuchungsausschuss ablehnte und damit Hamburg das einzige Bundesland bleibt, in dem der NSU mordete und keine konsequente Aufarbeitung stattfindet, ist der Bruch des politisch und gesellschaftlich gegebenen Versprechens, den NSU-Komplex konsequent aufzuklären, konstatiert die Abgeordnete. „Anstelle Schlussstriche zu ziehen, ist es notwendig, alle Möglichkeiten zu nutzen, um die offenen Fragen auch zu Unterstützer-Netzwerken des NSU voranzutreiben. Es ist fatal, wenn der Thüringer Verfassungsschutz-Präsident meint, dass die Verfassungsschutzbehörden weniger Kontrolle benötigen würden und er im Kontext des NSU-Komplexes erklärt, es sei an der Zeit, von der Vergangenheitsbewältigung zur Gegenwart und Zukunft überzugehen.“
König-Preuss mahnt die Umsetzung der Maßnahmen der Enquetekommission Rassismus in Thüringen an: „Eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft zu rechten, rassistischen und antisemitischen Straftaten ist in Thüringen notwendig und wird auch von Staatsanwälten als sinnvoll erachtet.“
Ebenso müssten die Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt sowie die Mobile Beratung gegen rechts endlich mehrjährig gefördert werden.
„Auch fünf Jahre nach dem Urteil im NSU-Prozess ist die Forderung ‚Kein Schlussstrich‘ notwendig. Viele Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Netzwerk des NSU und organisierten rechten Strukturen wurden und werden weniger durch staatliche Behörden als durch Untersuchungsausschüsse, antifaschistische Recherchen und investigative Journalist:innen zu Tage befördert. Die Schaffung eines Archivs zum NSU in Thüringen, in dem alle Akten der beiden Thüringer NSU-Untersuchungsausschüsse zugänglich sind, soll auch eine Würdigung dieser Arbeit sein“, so die Abgeordnete abschließend.