PM: NSU-Urteilsbegründung/weitere Aufklärung erforderlich

Anlässlich der heutigen Mitteilung über die Fertigstellung der schriftlichen Begründung zum NSU-Urteil im Umfang von 3025 Seiten erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE und Obfrau in beiden Thüringer NSU-Untersuchungsausschüssen: „Vor knapp achteinhalb Jahren hat sich die rechtsterroristische Gruppierung ‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ (NSU) selbst enttarnt, im Juli 2018 wurde das Urteil im Gerichtsverfahren am OLG München gesprochen. Es ist gut, dass die schriftliche Begründung nun endlich vorliegt, gleichwohl wird diese mit aller Wahrscheinlichkeit viele Fragen nicht beantworten können. So ist weiterhin offen, wie die Opfer ausgewählt wurden, wie tief die Verfassungsschutzbehörden verwickelt, wie eng die V-Leute angebunden waren und vor allem wird auch das schriftliche Urteil nicht das neonazistische Netzwerk des NSU umfassend aufklären.“


Nach dem Urteil 2018 hatten Verteidiger der Verurteilten Revision eingelegt. Erst mit Vorliegen des schriftliche Urteils beginnt das eigentliche Revisionsverfahren, das Monate bis Jahre dauern könnte. Die Abgeordnete dazu: „Die lange Verfahrensdauer ist eine zusätzliche Belastung für Angehörige der zehn Mordopfer, aber auch für die Überlebenden der Bombenanschläge und Banküberfälle, während gleichzeitig erstinstanzlich verurteilte Unterstützer des NSU-Kerntrios – wie Ralf Wohlleben und André Eminger – wieder aktiver Teil der Neonazi-Szene geworden sind. Seit deren Verhaftung im Herbst 2011 haben sich Neonazis bundesweit mit den Angeklagten solidarisiert und teils positiv Bezug auf die Taten des NSU genommen. Allein in Thüringen gab es seit dem Jahr 2011 mehr als 87 Unterstützungs- und Solidaritätsaktionen für den NSU bzw. inhaftierte Unterstützer, darunter Geldsammlungen, Konzerte und Graffiti. Das Innenministerium teilte mit, dass es auch eine Vielzahl Online-Aktivitäten gab, die sich nicht abschließend recherchieren ließen.“


König-Preuss beruft sich dabei auf die Auswertung mehrere Kleiner Anfragen, die sie über die Jahre an die Landesregierung zu NSU-Unterstützungshandlungen gestellt hat. Der Abgeordneten wurde zudem bekannt, dass erst im März 2020 in Jena ein Graffiti mit dem Kürzel „NSU“ sowie einem Hakenkreuz angebracht wurden. „Die Taten des NSU werden in der rechten Szene bis heute in Teilen glorifiziert.“

König-Preuss abschließend: „Dass der NSU-Komplex bis heute nicht umfassend aufgearbeitet ist, wird auch anhand der Querverbindungen zum Mord an Walter Lübcke in Kassel im Jahr 2019 deutlich. Der wegen Beihilfe zum Mord an Herrn Lübcke inhaftierte Marcus H. wurde bereits im Zuge der Mordermittlungen an Halit Yozgat befragt. Die Gefährlichkeit von Neonazis wird täglich deutlich, was nicht zuletzt auch die Morde von Halle und Hanau belegen. Um derartige Taten zu verhindern, benötigt es nicht nur ein entschiedenes Agieren der Sicherheitsbehörden, sondern auch die gesellschaftliche Forderung, die Aufklärung rund um die Taten des NSU voranzutreiben und keinen Schlussstrich zu ziehen. Wir müssen als Gesellschaft insgesamt nicht nur auf allen Ebenen gegen rassistische und neonazistische Einstellungen und Taten vorgehen, sondern endlich die Perspektive der Betroffenen wahr- und ernstnehmen.“

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