Jahrestag Selbstenttarnung NSU

 

Vor dem 7. Jahrestag der Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU)“ am 4. November 2011 betont Katharina König-Preuss, Obfrau der Linksfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss:

Einen Schlussstrich kann und darf es auch nach dem Urteil des Münchner Oberlandesgerichts gegen Beate Zschäpe und andere nicht geben.“ Neben der im Untersuchungsausschuss weitergehenden Aufarbeitung des Versagens von Staat und Gesellschaft und der Aufdeckung von terroristischen Nazi-Netzwerken müsse es darüber hinaus Bemühungen geben, das ganze Ausmaß neonazistischer Gewalt in Thüringen seit 1990 offenzulegen und hieraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

So haben die Koalitionsfraktionen von Rot-Rot-Grün – angelehnt an gleichartige Überprüfungen in Berlin und Brandenburg – dem Landtag jetzt einen Antrag vorgelegt, mit dem eine wissenschaftliche Überprüfung von Todesfällen rechter Gewalt in Thüringen gefordert wird. Dabei geht es um Todesfälle, die bisher von zivilgesellschaftlichen Initiativen als Opfer rechter Gewalt geführt werden, in staatlichen Statistiken jedoch nicht auftauchen. Der Antrag hat einen direkten Bezug zum NSU-Komplex, da an einem der schweren Übergriffe in Thüringen Michael S., alias „Tarif“ (V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz), beteiligt war. Dieser trat mit zwei weiteren Neonazis solange auf zwei Personen – Vater und Sohn – ein, bis diese sich nicht mehr rührten. Der Notarzt stellte beim Vater schwerste, lebensbedrohliche Kopfverletzungen fest. Ein Versterben an den Spätfolgen schlossen Ärzte damals nicht aus. Da er jedoch erst einige Jahre später starb, wurde dieser Fall nie überprüft und taucht ebenfalls in keiner Opferstatistik auf. Für Katharina König-Preuss zeigt dieser Fall ein Grundproblem der Auseinandersetzung mit dem NSU, die zu häufig auf eine Betrachtung als isoliertes Phänomen hinauslaufe. „Es war nicht nur das Kern-Trio, welches Gewalt gegen politische Gegner, Andersdenkende, MigrantInnen und sozial Schwache ausübte und dabei auch deren Tod in Kauf nahm. Das ist vielmehr Kern der dahinterstehenden Ideologie, die von der gesamten Thüringer Nazi-Szene gelebt wurde und bis heute wird.“ Ein wesentlicher Faktor, der die frühzeitige Entdeckung des NSU verhindert habe, sei die Weigerung staatlicher Institutionen gewesen, dessen Opfer als Opfer rassistischer Gewalt anzuerkennen.

Der erste NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen hat insbesondere für die neunziger Jahre den Thüringer Sicherheitsbehörden ein eklatantes Wegsehen und Verharmlosen rechter Gewalt attestiert. Zur Aufarbeitung gehört es daher auch, sich die Vielzahl von schwer Verletzten und durch Neonazis Getöteten zu vergegenwärtigen und die Verbrechen auch offiziell als das zu bezeichnen, was sie sind, Gewalttaten aus rassistischen und neonazistischen Motiven“, verweist König-Preuss auf den Zusammenhang zwischen Aufarbeitung der NSU-Taten und der Auseinandersetzung mit rechter Gewalt im Allgemeinen.

Hervorzuheben sei neben der neuen Initiative von Rot-Rot-Grün auch der Erfolg des Antrages auf Entschädigungen für Opfer des NSU und deren Angehörige. Für den auf Anregung des Landtages eingerichteten Entschädigungs-Fonds seien fast 70 Anträge eingegangen. „Ich sehe in dieser regen Inanspruchnahme auch eine Anerkennung der Bemühungen des Freistaates um Aufarbeitung und Übernahme von Verantwortung durch die Angehörigen und NSU-Opfer“, so König-Preuss.

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