„Dass nach nunmehr acht Monaten immer noch nicht über die Klage der Landesregierung gegen die Zulassung des Volksbegehrens für sozial gerechte Kommunalabgaben entschieden ist, ja noch nicht einmal ein Termin feststeht, stärkt die Motivation für Bürgerbeteiligung in Thüringen nicht gerade“, sagt der kommunalpolitische Sprecher der Linksfraktion Frank Kuschel. Die Initiatoren des Volksbegehrens wollen die Abwasser- und Straßenausbaubeiträge abschaffen und stattdessen Investitionen über eine Infrastrukturabgabe finanzieren. Den Zulassungsantrag unterstützten rund 25.000 Bürger, obwohl nur 5.000 Unterstützerunterschriften nötig gewesen wären.
Im November 2011 hatte die Landtagspräsidentin den Volksbegehrensantrag für zulässig erklärt. Gegen diese Entscheidung reichte jedoch die Landesregierung im Dezember 2011 Verfassungsklage ein. „Und seitdem ,ruht‘ das Verfahren. Im Volksbegehrensgesetz gibt es leider keine Frist für eine Klageentscheidung“, so Kuschel weiter. Er appelliert an den Verfassungsgerichtshof, nun endlich in der Sache zu entscheiden. Werde das Volksbegehren zugelassen, müssten noch innerhalb von vier Monaten rund 190.000 Unterschriften gesammelt werden.
Der Abgeordnete kritisiert, dass die CDU/SPD-Landesregierung derweil vollendete Tatsachen schaffe. Mit erheblichem Druck der Landesaufsichtsbehörden würden die Gemeinden gezwungen, für alle Straßenausbaumaßnahmen rückwirkend bis 1991 Beiträge zu erheben. Nach Schätzungen gehe es dabei um rund 260 Millionen Euro. „Respektvoll gegenüber dem Bürgerwillen wäre es gewesen, die Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuwarten, anstatt jetzt Dinge durchzusetzen, die die Initiatoren des Volksbegehrens ändern wollen“, ist der Linkspolitiker überzeugt. Leider beinhalte das Volksbegehrensgesetz auch keine sogenannte „Friedenspflicht“, die es der Landesregierung untersagen würde, Tatsachen zu schaffen, die Gegenstand eines beantragten Volksbegehrens sind.
„Die von der Landesregierung hoch gepriesene Ausnahmeregelung, wonach die Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen verzichten bzw. die Beitragsbelastung stark reduzieren können, läuft in der Praxis ins Leere. Nur sechs Prozent der Thüringer Gemeinden nutzen sie bzw. ziehen sie in Erwägung. So haben 20 Gemeinden beschlossen, auf Straßenausbaubeiträge zu verzichten, bei zehn von ihnen hat das Land bereits widersprochen. 47 Gemeinden wollen die Beitragsbelastung reduzieren, hier laufen die Prüfungen durch die Aufsichtsbehörden meist noch.“ Frank Kuschel empfiehlt der Landesregierung einen Blick nach Berlin, wo CDU und SPD jüngst die Straßenausbaubeiträge gesetzlich abgeschafft haben – „höchste Zeit dafür auch in Thüringen!“.