Aufrufentwurf des gescheiterten Thueringen-Buendnisses

Zur Transparenz veröffentlichen wir anbei die Arbeitsversion des Aufrufes, welcher am 09.12. von der Aufrufgruppe allen anwesenden Gruppen zur Diskussion vorgestellt wurde und als Entwurf die Grundlage für ein -Bündnis zur Mobilisierung nach Dresden im Februar 2011 bilden sollte.

Dieser Versuch eines spektrenübergreifenden Bündnisses in Thüringen ist gescheitert. Dazu gibt es bisher zwei Stellungnahmen, welche hier (RedRoXX) und hier (Haskala) nachgelesen werden können.

Aufrufentwurf Dresden – Thüringen

Warum wir nach Dresden fahren:

Jede und jeder Zehnte stimmt 2010 in Deutschland Aussagen zu, welche den Nationalsozialismus verharmlosen. (1)

In Dresden ist dieser Geschichtsrevisionismus Teil der offiziellen Erinnerungspolitik. Jährlich um den 13. Februar kommen auch tausende europäische nach Dresden, um an die Opfer der alliierten Bombardierung zu erinnern.
Im Februar 2010 gelang es erstmals, diesen größten Naziaufmarsch Europas zu blockieren. Weit über zehntausend Menschen aus etlichen Städten haben erfolgreich mit Aktionen des Zivilen Ungehorsams verhindert, dass, wie all die Jahre zuvor, bis zu achttausend Geschichtsrevisionisten und Neofaschisten in einem Trauermarsch durch Dresden ziehen konnten. Dabei verließen viele Menschen erstmals den Rahmen des symbolischen Protestes. Dennoch darf dieser Erfolg nicht darüber hinwegtäuschen, dass es den Nazis gelungen war, mehrere tausend Anhänger in die sächsische Landeshauptstadt zu mobilisieren.

Dabei knüpfen die Nazis an die Versäumnisse einer städtischen Gedenkkultur an, welche es bis heute nicht vermag, historische Fakten von den Erinnerungen von Augenzeugen der Luftangriffe, der Goebbels-Propaganda und ihrer unsäglichen Weiterführung durch die DDR-Ideologen im kalten Krieg zu trennen.

Nicht nur in den Erzählungen der Dresdner Presse und in den öffentlichen Gedenkritualen stehen noch immer die zum Teil traumatischen Erinnerungen der unmittelbar Betroffenen im Vordergrund, ohne sie mit längst bekannten und gesicherten Erkenntnissen der historischen Forschung zu überprüfen und vor allem ohne den Bezug zu den Verbrechen der Nationalsozialisten, der Vertreibung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Dresden und Europa und der Bedeutung Dresdens innerhalb verbrecherischen deutschen Kriegsführung herzustellen.

So werden die Mythen von der „sinnlos zerstörten und unschuldigen Kulturstadt“ und der wider besseres Wissen überhöhten Opferzahlen am Leben erhalten. Tatsächlich wurde die Mehrzahl der in Dresden ansässigen Betriebe bis 1944 fast vollständig auf Rüstungsproduktion umgestellt. Durchschnittlich 20.000 Soldaten durchquerten täglich in 28 Militärzügen die Stadt. Auch Stätten des Kunsthandwerks wurden für militärische Zwecke genutzt: So diente das beispielsweise das Festspielhaus als SS-Kaserne. Der Dresdner Bahnhof war ein wichtiger Ort für die Deportation von Menschen in die deutschen Vernichtungslager. Revisionisten lügen die Zahl der Todesopfer der Bombardierung unter Berufung auf gefälschte Dokumente noch heute nach oben.

Die in der Gegenwart berichtenden Zeitzeugen waren bei der Bombardierung Dresdens überwiegend Kinder, die nur bestimmte Ausschnitte wahrnehmen konnten. Darüber hinaus betrachteten sie die Ereignisse aus der Perspektive der Nazideutschen. Diese „Oral history“ wird in Dresden aber gefällig zur Ausschmückung des eigenen Opferseins genutzt. Bezüglich der Legenden von mehr als 30.000 Todesopfern spricht die wissenschaftliche Dresdner Historikerkommission von „unglaublichen Fälschungen von Dokumenten und Behauptungen von einzelnen Zeitzeugen, die nachweislich falsch sind“.

Diese, weit verbreiteten Mythen liefern den Stoff für die Nazipropaganda vom „Bombenholocaust“ und die geschichtsrevisionistischen Versuche, Deutschland zum Kriegsopfer zu stilisieren.

Städte wie Hamburg, Köln oder Kassel sind in der Relation genauso, beziehungsweise stärker zerstört worden als Dresden. Dennoch locken die entsprechenden Gedenktage nicht tausende Aktivisten des rechten Spektrums in die jeweiligen Städte. Dresden scheint dagegen zum Sinnbild der in der Berliner Republik immer stärker werdenden Versuche zu werden, die deutsche Kriegsschuld zu relativieren: Statt wie versprochen an die Friedensbewegung in der DDR anzuknüpfen, welche sich gegen die ideologisch-verblendete Erinnerungspolitik der SED wandte, wird dieses fortschrittliche Erbe heute zur Konstruktion kollektiven deutschen Opfertums instrumentalisiert. So steht auf dem Heidefriedhof, wo das offizielle mit ausländischen Repräsentant_innen stattfindet, die Stele Dresdens gleichberechtigt neben Stelen für deutsche Vernichtungs- und Konzentrationslager wie Auschwitz und Bergen-Belsen.

Ohne Eingeständnis der deutschen Kriegsschuld und der Benennung der Ursachen des Nazifaschismus kann es keine Versöhnung geben. Dem steht der herrschende Normalisierungsdiskurs in der Bundesrepublik entgegen. Die Konstruktion Deutschlands als Opfer der eigenen Vergangenheit soll dagegen ermöglichen, anderen Nationalstaaten „auf Augenhöhe“ begegnen und nicht zuletzt auch wieder Kriege führen zu können.

Dem Bild der geläuterten Nation stehen die Nazis mit ihrem Beharren auf der reinen Opferrolle Deutschlands im 2.Weltkrieg im Wege. Das Engagement von Antifaschist_innen gegen Naziaufmärsche wird im Gegenzug benutzt, um das Bild des „guten Deutschlands“ zu bestätigen.

2011 sollen in Dresden mehrere Veranstaltungen zum Jahrestag der alliierten Luftangriffe stattfinden. Wir akzeptieren nicht, dass die Geschichte verdreht und die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt werden. Wir lehnen jede Leugnung und Relativierung der deutschen Schuld an Vernichtungskrieg und Holocaust ab.

Wir rufen dazu auf, das Dresdner Gedenken öffentlich und kritisch zu thematisieren.

Wir rufen dazu auf die angekündigten Aufmärsche der Nazis zu verhindern und insbesondere die Blockaden von „Dresden-Nazifrei“ zu unterstützen. Diese Blockaden sind Menschenblockaden. Von diesen geht keine Eskalation aus.

Wir sind solidarisch mit allen, die den Naziaufmarsch verhindern und/oder das Dresdner Gedenken kritisieren wollen. .

(1) Die Mitte in der Krise, S. 80, 2010

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