Stellungnahme Haskala

Dresden und Geschichtsfälschung oder: Die Ausblendung der Vergangenheit

Eine Antwort auf den Text des RedRoXX vom 16.12.2010

In ihrer „Stellungnahme zum Ende der gemeinsamen Mobilisierung nach Dresden“ stellt das RedRoXX das Treffen vom 9.12. in den Mittelpunkt, in dessen Konsequenz der Bündnisversuch als gescheitert erklärt wurde. Passend zu Anlass und Gegenstand – dem Geschichsrevisionismus um die Bombardierung Dresdens – ignorieren die Verfasser vorherige Treffen und Absprachen im Bündnis zu Gunsten einer einseitigen Schuldzuweisung an v.a. Antifa-Gruppen. Das RedRoXX wirft diesen vor: „Die Durchsetzung der eigenen Position wurde einem möglichen Gemeinsamen übergeordnet.“ Tatsächlich setzte sich das RedRoXX am 9.12. über gemeinsam in vorigen Meetings getroffene Absprachen hinweg um die eigene Position ohne vorherige Vermittlungsversuche unter der Drohung des Verlassens des Bündnisses durchzusetzen.

Die unbegründete und erstmalige Forderung, ein Bündnis könne lediglich ein konkretes Ziel, und nicht etwa auch damit direkt verbundene Teilziele aufnehmen, ist für uns unverständlich.

Im Text argumentiert das RedRoXX zum einen mit entkontextualisierten Darstellungen anonymer Personen, denen der Wunsch der Verhinderung des Naziaufmarsches abgesprochen wird. Dies sind unlautere Unterstellungen und Pseudoargumente, die einer sachlichen und solidarischen Diskussion entgegenstehen.

Zum anderen bezieht sich das RedRoXX auf die Einladung des Aktionsnetzwerkes zum ersten Treffen am 28.10.. Bei diesem Treffen, an dem auch ein Vertreter des RedRoXX teilnahm, wurde deutlich, dass es ein gemeinsames Vorgehen nur bei einem eigenen Thüringer Aufruf mit einer inhaltlichen Verschärfung gegen den revisionistischen Dresdner Gedenkdiskurs geben kann. VertreterInnen von jeder einzelnen der anwesenden Initiativen – einschließlich RedRoXX – verlautbarten, dass eine inhaltliche Vertiefung möglich sei. Weit mehr als nur Antifa-Gruppen wünschten eine Auseinandersetzung in der Mobilisierung ausdrücklich. Damit war die vorbestimmte Tagesordnung aufgehoben und auch der Einladungstext wurde von der Realität überholt.

Sich darauf zum heutigen Zeitpunkt zu beziehen bedeutet eine Ausblendung der politischen Entwicklung seit dem 28. Oktober. Das damalige Treffen wurde mit dem Arbeitsauftrag an alle Initiativen beendet, zu einer möglichen stärkeren inhaltlichen Kritik Stellung zu beziehen. Dies geht deutlich aus einer Rundmail vom 03.11. hervor:

Nach einer kontroversen Debatte kristallisierte sich der Vorschlag heraus, einen Thüringer Aufruf für die Dresden-Mobilisierung zu erarbeiten, der diese Kritik stärker berücksichtigt. Dieser Vorschlag wurde von allen Seiten getragen. Die Diskussion über die Aktionsformen nahm nicht den gleichen Raum ein. […] Wir bitten daher alle Gruppen, sich in Ihren Strukturen darüber zu verständigen, ob eine gemeinsame Mobilisierung für die Aktionen des Bündnisses „Dresden-nazifrei“ unter einem solchen Aufruf und damit eine Beteiligung an einem regionalen Mobilisierungsbündnis in Betracht kommt.“

Dies wäre der Zeitpunkt für das RedRoXX gewesen um Kritik, Bedenken, Einschränkungen o.ä. zu äußern. Dies ist nicht geschehen. Spätestens ab hier arbeiteten Teile der involvierten Initativen offensichtlich auf einem unterschiedlichen Stand.

Das nächste Treffen fand am 18.11. statt. Hier wurden sog. No-Goes für den Aufruf seitens Beteiligten ausgetauscht. Diese waren:

1. Keine Extremismustheorie

2. Keine Gleichsetzung Naziaufmarsch und bürgerliches Gedenken

3. Die Aufnahme des Passus zu Massenblockaden ohne Eskalation

4. Kein Aufruf zur Gewalt

Auf dieser Grundlage wurden im Folgenden zwei Aufruffragmente vom Aktionsnetzwerk Jena und der AG 17 Erfurt erarbeitet. Diese wurden bei einem Treffen mit Delegierten interessierter Initiativen diskutiert, überarbeitet und schließlich bei dem Treffen, auf welches sich die Stellungnahme des RedRoXX bezieht, dem Bündnis zur Diskussion vorgestellt. Die Delegierten des RedRoXX stellten bei diesem Treffen unmittelbar das Bündnis als solches in Frage, ohne sich um gemeinsame Absprachen und demokratisch getroffene Ergebnisse vorheriger Bündnistreffen zu kümmern.

Das RedRoXX rechtfertigt dieses Vorgehen mit der Behauptung, einen gesellschaftlichen Missstand „öffentlich und kritisch zu thematisieren“ sei dasselbe wie einen Missstand „zu verhindern“. Diese Behauptung ist letztlich vor allem auch ein Schlag in das Gesicht all jener, welche sich seit vielen Jahren dafür einsetzen, dass bspw. Naziaufmärsche eben nicht nur auf Plakaten u.ä. symbolisch kritisiert, sondern durch vielfältige Mittel verhindert werden. Eine Gleichsetzung von bürgerlichem Gedenken und faschistischem Aufmarsch können wir in dem Aufrufentwurf nicht finden. Dort heißt es wörtlich: „Diese, weit verbreiteten Mythen liefern den Stoff für die Nazipropaganda vom „Bombenholocaust“ und die geschichtsrevisionistischen Versuche, Deutschland zum Kriegsopfer zu stilisieren.“

Dass sich die Verfasser der Stellungnahme von 16.12. nachträglich zum Opfer von Antifa-Gruppen gerieren, welche den eigentlichen und reinen – tatsächlich aber längst aktualisierten – Bündniszweck gegen den Naziaufmarsch auflösen wollen würden ist Legendenbildung in bester Dresdner Tradition.

Wir bedauern das Ende des Bündnis. Wir sind der Meinung, der Aufrufentwurf auf der Grundlage dessen, was bei Bündnistreffen besprochen wurde, ist konsensfähig, zumindest aber diskutierbar. Etwa bei Aktionsformen und bei der Vermeidung szenetypischer Sprache und Schuldzuweisungen sind die Antifa-Gruppen erhebliche Kompromisse eingegangen. Es bleibt der Eindruck, dass ein gemeinsames Bündnis von Teilen von Anfang an nicht gewünscht wurde.

Unter einem Bündnis verstehen wir, die Differenzen Anderer zuzulassen und diskursiv und unter allseitiger Kompromissbereitschaft die gemeinsame Politik auszuhandeln. Auftretende Konflikte durch Austrittsdrohungen abzuwürgen widerspricht unserem egalitären und emanzipatorischen Verständnis von linker Politik.

So lange Hinterzimmerpolitik, die Aberkennung der Legitimität basisdemokratischer Beschlüsse, unaufrichtige Auseinandersetzungen, fehlende gegenseitige Anerkennung und anonyme Internetseiten einer kontinuierlichen, gemeinsamen und sachlichen Diskussionen vorgezogen werden rückt ein gemeinsames Vorgehen in Thüringen gegen Naziaufmärsche und deren inhaltlicher Legitimation in weite Ferne.

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