“Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang Dresdens.“
(Gerhart Hauptmann, Februar 1945)
Zur Lesung über “Die Kollektive Unschuld. Wie der Dresden-Schwindel zum nationalen Opfermythos wurde“ mit dem Autor Gunnar Schubert, im HASKALA am 04. Februar
Seit das braune Pack die Bombardierung Dresdens im Februar 1945 für seine Zwecke missbraucht, ist eine rationale Sicht nur noch schwer möglich. Noch gut kann ich mich an ein Foto des zerstörten Dresden im Geschichtsbuch erinnern.
Der begleitende Text sagte, dass der Krieg nun dorthin zurückgekehrt war, von wo er seinen Ausgang genommen hatte, auf das Territorium des faschistischen Deutschlands. Dresden und seine Bewohner waren in der überwiegenden Anzahl nicht unschuldig. Umso mehr ist es wichtig, wenn der Opfermythos Dresdens entzaubert wird. Um es vorab zu sagen, zumindest bei seinem Vortrag am letzten Freitag konnte der Autor Gunnar Schubert diesem Anspruch nicht gerecht werden. Einfach deshalb, weil er in eine für die Argumentation verhängnisvolle Falle geraten ist, nämlich die Argumente der Rechten in das Gegenteil umkehren zu wollen. Nach Schubert gibt es „Den Dresdner“. Dieser „Dresdner“ begeistert sich an Kitschgemälden von Canaletto, ist neuen Künsten sehr abgeneigt, was sich als Beispiel an der Ablehnung der expressionistischen Künstlergruppe „Die Brücke“ und dem mangelnden Besuch an der DDR-Kunstausstellung festmachen lässt. Kurzum, der gemeine Dresdner ist ein Einheitsmensch, mit dem man als von außerhalb Dresdens kommend nichts zu tun haben möchte und der allem braunen Gedankengut aufgeschlossen gegenübersteht. Dieses Gedankengut entspricht auch der den Dresdner umgebende Stadt, sie ist seit Urgedenken in dezenten Brauntönen gehalten, ja doch, zwei oder drei Häuser haben was mit Barock zu tun, da ist dann noch die Frauenkirche, aber die war bei den Nazis Zentrum der braunen evangelischen Kirche Sachsens.
Lieber Herr Schubert, ich kann mich noch an die langen Schlangen bei der Kunstausstellung erinnern. Und wenn man Emile Zolas Texte über die Feindseligkeit der Pariser gegenüber den ersten Impressionisten liest, müsste man nach Schubert schlussfolgern, dass alles rund um den Louvre von kunstablehnenden Banausen besiedelt ist.
Auch das Unverständnis von Herrn Schubert, warum ausgerechnet der Dresdner Bombardierung gedacht wird, andere Städte hätte es doch viel schlimmer getroffen, ist so nicht nachvollziehbar. Dresden ist eben keine Stadt wie jede andere. Dresden ist das Elbflorenz, die Stadt der Kunst und Kultur, die Barockstadt nördlich der Alpen. Und nur weil Goebbels mit Dresden Propaganda gemacht hat, Dresden brauner als viele andere Städte war und die Neonazis Dresden für sich entdeckt haben, muss man die wunderschöne Stadt und ihre Bewohner nicht mit einem antifaschistischen Pflichtfluch belegen.
Erschreckend empfand ich auch, dass von Herrn Schubert in seinem gesamten Vortrag kein Wort des Bedauerns oder des Gedenkens an die Opfer zu hören war. Hinter den bekannten Zahlenspielen, bei denen die Opferzahl je nach Propagandalage und political correctness zwischen einer halben Million und zwanzigtausend schwankt, verstecken sich zerbombte, zerrissene, verbrannte oder erstickte Menschen.
Als Kind war ich oft in Dresden, ich kann mich noch gut an die Schuttberge links und rechts der heutigen Prager Straße erinnern. Meine Mutter und meine Großeltern haben als Flüchtlinge aus Schlesien den 13. Februar 1945 in der Innenstadt Dresdens überlebt, ich kenne die Geschichten des Grauens seit ich mich zurückerinnern kann. Ich bin 20 Kilometer von Dresden entfernt geboren, also per Geburt und Genen offensichtlich auch so ein dumpfer Dresdner. In der Schule wurde ich nach heutiger Lesart zum Verordneten Antifaschismus erzogen. Antifaschist bin ich noch heute.
Ich wünsche der Stadt Dresden, dass es ein würdiges Gedenken gibt, das Schuld und Sühne in den Gedanken und Handlungen einschließt. Ich wünsche Dresden, dass das braune Gesindel immer einen großen Bogen um die Stadt macht. Ich wünsche Herrn Gunnar Schubert, dass er die von ihm so verachteten Dresdner besser ertragen lernt. Ich wünsche der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz, mit deren Tun ich eigentlich nie einverstanden bin, dass sie sich schnell und gut von ihrer Erkrankung erholt. Und nicht zuletzt wünsche ich meinem Verein, Dynamo Dresden, dass endlich der unsägliche Trainer gefeuert wird und bald der Aufstieg gelingt.
Götz Kölbl
Zur Buchlesung im Haskala gibt es ebenfalls eine Reaktion von Katharina, welche hier nachlesbar ist und ebenfalls im Anstoß veröffentlicht wurde