Post an Bodo Ramelow
Bad Blankenburg: Empörung einer PDL-Basisgruppe über die Schmährede der Landtagsabgeordneten Katharina König
Der „offene Brief“ unserer Bad Blankenburger Basisgruppe „Montagstreff“, der im parteiinternen Mitteilungsblatt „Anstoß“ zur Rede der Abgeordneten Katharina Königim Thüringer Landtag veröffentlicht wurde,hat große Aufmerksamkeit hervorgerufen.
Die Art und Weise, wie darauf reagiert wurde,erscheint uns absurd und selbstzerstörerisch. Schon im ersten Abschnitt Deiner Antwort an die Basisgruppe versuchst Du, werterGenosse Ramelow, Dich von uns zu distanzieren,indem Du Dein Befremden ausdrückst. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Wir reagierten lediglich auf die Rede Katharina Königs, die vor dem Landtag erklärt hatte, in ihren Augen sei die DDR ein Unrechtsstaat gewesen.
Du hebst ausdrücklich hervor,daß die Meinungsfreiheit „ein hohes Gut“ sei. Warum kritisierst Du uns, wenn wir davon Gebrauch machen, stellst Dich aber schützend vor eine Abgeordnete, die historische Wahrheiten öffentlich leugnete und sie durch Einschätzungen unserer politischen Gegner bzw. „eigene Erfahrungen“ ersetzte? Mit Deinem Freispruch für Katharina König bist Du großzügiger als der Papst, der zumindest Beichte, Buße oder Ablaßkauf wegen begangener Sünden verlangt. Gibt es für Meinungsfreiheit nicht auch Grenzen? Sind wir als demokratische Sozialisten, die im Hier und Heute die Lebensbedingungen aller benachteiligten Bürger verändern wollen, nicht in besonderem Maße der historischen Wahrheit verpflichtet? In keinem Dokument der PDS oder der Linkspartei zur Aufarbeitung der Geschichte der DDR findet man den Kampfbegriff „Unrechtsstaat DDR“. Es ist doch ein Unterschied, ob jemand am Stammtisch eine Meinung äußert oder ob eine Landtagsabgeordnete und Interessenvertreterin einer Partei vor großem Publikum eine öffentliche Rede hält.
In der Politik kommt es immer auf die Wirkung an. Wer das nicht sieht, macht die Linkspartei zu einer Partei der Beliebigkeit und zu einem zahnlosen Tiger,über den unsere politischen Gegner nur schadenfroh lachen werden, um ungehindert ihre volksfeindliche Politik fortzusetzen.
Was unterscheidet uns denn noch von den Regierungsparteien, wenn wir die gleichen Begriffe verwenden und gleiche Auffassungen wie sie zu einem wichtigen Problem vertreten? Warum scheut Ihr eine offene und vorurteilsfreie Auseinandersetzung zu einem Thema, das Millionen Ostdeutsche bedrückt, deren Biographien beschädigt und sie als Bürger zweiter Klasse diffamiert? Ist es nicht dringend geboten, die Halbwahrheiten und Entstellungen zur jüngsten deutschen Geschichte als Lügen der Sieger auf Zeit zu entlarven? Muß sich nicht jedes Mitglied unserer Partei gegen die ständige Schönfärberei in bezug auf bundesdeutsche Geschichte und Gegenwart sowie gegen die unablässige Kriminalisierung der DDR und ihrer Bürger, gegen die seit 20 Jahren andauernde soziale und politische Benachteiligung wehren? Brauchen wir nicht endlich einen streitbaren, vorwärtsgewandten und trotzig enthüllenden linken Journalismus, wie ihn August Bebel, die Liebknechts, Egon Erwin Kisch, Gerhart Eisler und viele andere unerschrocken demonstriert haben? Warum gestattest Du einer Abgeordneten unserer Landtagsfraktion, die DDR als Unrechtsstaat zu verunglimpfen, obwohl es in ihr Errungenschaften gab, die uns 1989/90
verlorengingen und seitdem in Gesamtdeutschland erst wieder erstritten werden müssen?
Inzwischen ist ein unerträgliches politisches Klima entstanden, das wir zur Wahrung unserer Identität nicht mehr hinnehmen dürfen: Wer an DDR-Errungenschaften erinnert, wird vorgeführt und verdächtigt, ein Feind der freiheitlich-demokratischen Ordnung zu sein – wie sogar Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Sellering (SPD). Man versucht Personen, die kritische Äußerungen wagen, zum Schweigen zu bringen. Freie Hand und Unterstützung erhalten hingegen all jene, die Halb- oder Unwahrheiten über die DDR,die „SED-Diktatur“, den „Stasi-Terror“ und die „marode Wirtschaft“ verbreiten. Mücken werden dabei zu gefährlichen Monstern aufgeblasen, regelmäßig wird eine Sau durchs Dorf getrieben, um die Bürger abzulenken und es gekauften Subjekten zu ermöglichen, ungestört Verwirrung zu stiften und neue Brandherde zu legen. Der Antikommunismus wurde in der BRD zur Staatsreligion.
Wohin wird uns das führen? Es fehlt nur noch, daß unser Blankenburger Fähnlein aufrechter Antifaschisten vom Verfassungsschutz zu „schlafenden Terroristen“ erklärt wird. Diese gefährliche Ideologie, die Thomas Mann vor über 70 Jahren als „ Grundtorheit des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, hat inzwischen auch in der Linkspartei ihre Fürsprecher gefunden. Statt auf Stärkung und Geschlossenheit unserer Partei zu setzen, erzeugen solche verleumderischen und haltlosen Unterstellungen vor allem Mißtrauen und Zwietracht. Sie bewirken die Spaltung und Lähmung der Kampfkraft der Linken. Machen wir endlich Schluß mit dieser erbärmlichen, gefährlichen, alle Vernunft zerstörenden antikommunistischen und demagogischen Unkultur im Meinungsstreit!
Werter Genosse Ramelow! Wie Du inzwischen sicher erkannt haben wirst, sind wir Blankenburger Briefschreiber nicht auf der Wurstsuppe dahergeschwommen. Wir gehören zur Generation mit Erlebnissen und Erfahrungen aus vier deutschen Staaten. Die Genossen der Basisgruppe „Montagstreff“ sind aber kritisch, weltoffen und Lernende geblieben. Ihr solltet unsere Erfahrungen nicht mit Füßen treten! Leider sind die Sozialismus-Bemühungen in Europa aus unterschiedlichen Gründen gescheitert, aber es gibt sie noch in anderen Teilen der Welt, darunter auch in China. Das verspricht Hoffnung auf eine globale Veränderung und Überwindung des kapitalistischen Systems, das alles Leben auf unserem Planeten bedroht und zu zerstören vermag.
Harry Kultermann, Bad Blankenburg
(Redaktionell leicht bearbeitet)