Zum heute gesprochenen Urteil im so genannten Fretterode-Prozess erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Es ist ein absoluter Skandal, dass heute dieses Urteil gesprochen und somit keiner der Neonazi-Täter zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. Eine Bewährungsstrafe und Arbeitsstunden sind Strafen, die den Namen nicht wert sind. Nach dem skandalösen Versagen der Justiz im Ballstädt-Prozess zeigt sich erneut, dass wir in Thüringen ein Justizproblem haben und Neonazis hier nicht mit adäquaten Strafen rechnen müssen, sondern per Urteil gar noch zu derartigen Taten ermutigt werden. Es ist dringend an der Zeit, endlich Konsequenzen aus den Ermittlungs- und Justizskandalen zu ziehen. Für die Pressefreiheit in Thüringen ist dieses Urteil eine Katastrophe. Die Justiz macht damit deutlich, dass sie Journalistinnen und Journalisten nicht schützen wird, selbst wenn sie von Neonazis schwer verletzt werden und hätten tot sein können. Mit dem Urteil schlägt man den Betroffenen ein weiteres Mal ins Gesicht. Teile der Justiz geraten in die Gefahr, aufgrund solcher Urteile von Neonazis als Unterstützungsstruktur wahrgenommen zu werden.“
König-Preuss hebt die besondere Bedeutung des Verfahrens hervor, in dem es um einen Angriff auf Journalisten ging: „Für Journalist*innen ist die Gefährdung der Pressefreiheit von Rechts ständig präsent. Hier wurde sie konkret und am eigenen Körper der Journalisten spürbar. Schon, dass am Landgericht Mühlhausen nicht wegen Totschlags verhandelt wurde, ist vor diesem Hintergrund kaum verständlich. Die Neonazis aus Fretterode schlugen einem der Journalisten mit einem Schraubenschlüssel gezielt auf die Stirn. Dem anderen stachen sie ein Messer ins Bein. Das medizinische Gutachten, das im Prozess präsentiert wurde, stellte fest: Nur wenige Zentimeter trennten beide Verletzungen von einem potentiell tödlichen Ausgang.“
In Richtung Justizministerium appelliert die Abgeordnete: „Es darf hier kein ‚weiter so‘ geben. Wir brauchen endlich eine Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft und eine Schwerpunkt-Gerichtskammer für Hasskriminalität. In der justiziellen Bearbeitung von rechter Gewalt reiht sich ein Skandal an den anderen und die extreme Rechte spürt, dass es über Jahre keine Konsequenzen für ihre Gewalttaten gibt. Damit verpufft der Sinn von Strafe im Rechtsstaat. Wieder einmal zeigt sich, dass man sich auf diesen Staat im Kampf gegen Nazis nicht verlassen kann.“
„Ich erwarte nun, dass es erstens zu einer Aufklärung der Ermittlungs- und Verfahrensfehler kommt. Wie kann es sein, dass die Polizei nicht eingreift, wenn sie beobachtet, dass Gegenstände aus dem Tatfahrzeug heraus- und wieder hineingeräumt werden? Um dies auch parlamentarisch zu bearbeiten, haben wir die Aktenbeiziehung im Untersuchungsausschuss 7/3 beantragt. Zusätzlich muss sich die Landesregierung dem annehmen“, so die Abgeordnete.
König-Preuss weiter: „Zweitens muss der Schutz von Journalist*innen intensiviert werden. Es muss spürbar sein, dass es Konsequenzen für die Einschränkung der Pressefreiheit gibt. Das gilt für Gewaltexzesse wie in Fretterode genau so wie für das Bedrängen und Behindern von Journalist*innen bei rechten Demonstrationen. Es muss drittens mit einer Taskforce ‚Immobilien‘ noch konsequenter gegen rechte Treffpunkte vorgegangen werden. Es kann nicht länger toleriert werden, dass Neonazis wie in Fretterode eine polizeifreie Zone um ihre Immobilien schaffen und sich selbst als lokale Ordnungsmacht sehen, die Journalist:innen als Feinde markieren und angreifen können.“