PM: Politisch motivierte Kriminalität: Erhebliche Gefahr von rechts, Reform der Statistik nötig

Zur heutigen Vorstellung der Statistik der politisch motivierten Kriminalität (PMK) 2021 erklärt Sascha Bilay, innenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Die diesjährige Statistik zeigt, dass die meisten politisch motivierten Straftaten in Thüringen weiterhin von rechts begangen werden. Hier droht die größte Gefahr für die demokratische Kultur. Gleichwohl wird deutlich, wovor DIE LINKE seit Jahren gewarnt hat: Das Instrument dieser Statistik ist in seiner momentanen Form nur begrenzt tauglich, um die realitätsnah einzuordnen. Während Straftaten im Bereich Rechts und Links mit geringen Abweichungen auf dem Niveau des Vorjahres bleiben, schießt mit +220 Prozent die Kategorie ‚Politisch nicht zuzuordnen‘ (1.017 Fälle) durch die Decke. Darunter dürften insbesondere auch Corona-Leugner, Reichsbürger und Querdenker erfasst sein. Die Statistik ist an die Grenzen ihrer Aussagekraft geraten. Wir brauchen dringend eine Reform, um politisch motivierte Kriminalität deutlicher nach Motivation und Ursachen darstellen zu können.“

Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion, erklärt: „Dass in den letzten fünf Jahren fast 6.500 rechte Straftaten in Thüringen begangen wurden, ist enorm und unterstreicht das Gefahrenpotential, das gerade von antisemitischen, rassistischen und neonazistischen Ideologien ausgeht. Gleichwohl bilden diese Fälle nur das Hellfeld ab, was den Behörden bekannt wurde. Die rechten sind mit 60 Fällen auf ähnlichem Niveau wie im Vorjahr (2020: 62), behandeln jedoch lediglich jene Fälle, die bei den Behörden angezeigt wurden. Die Opferberatung hat mit 119 Fällen rechter, rassistischer und antisemitische Gewaltstraftaten im selben Zeitraum doppelt so viele Delikte erfasst, was u.a. am Anzeigeverhalten von Betroffenen, am fehlenden Vertrauen in Institutionen oder auch an Mängeln bei der politischen Erkennung und Zuordnung liegt.“

Abgeordneter Bilay dazu: „Wichtig ist eine Versachlichung in der Debatte. Wir müssen die Zahlen richtig einordnen. Es hilft nichts, auf +77 Prozent Terrorismus-Delikte zu verweisen und in Alarmismus zu verfallen, wenn bei genauerer Betrachtung deutlich wird, dass es in den letzten Jahren absolut etwa 16 Fälle waren und auch in diesem Jahr wieder 16 Fälle sind. In diesen Bereichen wird vielfach dem Verdacht nachgegangen, ob Personen im Ausland bspw. bei islamistischen Milizen aktiv waren. Es ist wichtig, derartige Fälle mit der gebotenen Sorgfalt zu überprüfen. Solche Verfahren liefern in Thüringen in der Regel keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Anklageerhebung und werden eingestellt.“

Für den Berichtszeitraum sei die teils im politischen Raum verbreitete Darstellung eines „linken Terrorismus“ nicht ableitbar. Die Anzahl der Verfahren wird mit „0“ angegeben. Auch die Gewaltdelikte „links“ bewegen sich unter dem Niveau 2018/2019. Bilay weiter: „Es gilt, politisch motivierte Gewaltkriminalität unabhängig vom Phänomenbereich ernst zu nehmen und aufzuklären. Allerdings hat die Statistik auch hier Tücken. Unter Gewaltkriminalität werden weiterhin Widerstandshandlungen erfasst, obwohl für tätliche Angriffe inzwischen ein eigener Paragraf im Recht geschaffen wurde. In der vorliegenden Statistik wird jedoch nicht unterschieden, ob beispielsweise bei einer Festnahme durch die Polizei der Betroffene tatsächlich handgreiflich wird oder sich beispielsweise lediglich an einem Treppengeländer festhält und nicht freiwillig mitgeht, beides wird unter Gewaltkriminalität verbucht.

König-Preuss weiter: „Die größte Herausforderung ist, die vermeintlich ‚politisch nicht zuzuordnenden‘ klarer zu benennen und herausstellen, dass hier insbesondere jene subsumiert sind, die auch Verschwörungserzählungen, antisemitische Mythen und Reichsbürgerideen verbreiten und die Pandemie leugnen. Hier gibt es immer wieder Schnittmengen mit der extremen Rechten, deren Feindbild Menschen sind, die sich für einen solidarischen Umgang in der Pandemie einsetzen, aber auch Medienvertreter*innen, Wissenschaftler*innen, kommunale Mandatsträger*innen und staatliche Repräsentant*innen.“

Es könne nicht angehen, dass bei bekannten Tatsituationen, wie Corona-Protesten, diese Delikte unter dem nebulösen Schlagwort ‚nicht zuzuordnen‘ verschwinden. „Wir brauchen also Änderungen in den Erfassungsmodalitäten und mehr Sensibilisierungen für das Erkennen von Tatmotivationen.“ Die Abgeordnete hat dazu kürzlich mehrere parlamentarische Anfragen zur Einschätzungsfähigkeit, Struktur und Überarbeitung der PMK im Landtag eingereicht.

Der bereits erhobenen Forderung nach Stärkung des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit der Statistik erteilen die beiden Abgeordneten eine Absage, verweisen auf das Trennungsgebot und machen deutlich, dass Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaften sind.

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