Stern TV hat in dieser Woche Aufnahmen des investigativen Journalisten Thomas Kuban von einem Neonazi-Konzert am 11. August in Kirchheim ausgestrahlt, bei dem die Teilnehmer u.a. „Sieg Heil“ skandieren und strafbare Lieder gesungen wurden. Während des Auftritts einer Neonazi-Band wurde unverhohlen dazu aufgerufen, Messer in die Körper von Jüdinnen und Juden zu stechen, ohne dass die Polizei intervenierte. Katharina König-Preuss, die Anzeige erstattet hat, erklärt dazu:
„Es ist mir absolut unverständlich, wieso die Polizei nicht eingeschritten ist. Die Aufnahmen, die dank des investigativen Journalisten unter hohem persönlichen Risiko in der Menge des grölenden Neonazi-Mobs gedreht wurden, zeigen erneut, dass sich Neonazis gerade auch bei den nahezu wöchentlich stattfindenden Neonazi-Konzerten in Thüringen pudelwohl fühlen und oft uneingeschränkt und ohne Konsequenzen Straftaten begehen. Es ist gut, dass das Innenministerium eine Sensibilität für Großveranstaltungen mit Tausenden Neonazis entwickelt hat. Es darf aber nicht so weitergehen, dass die regelmäßig stattfindenden Hasskonzerte mit dreistelliger Teilnehmerzahl nicht oder kaum ernst genommen werden. Der Innenminister muss jetzt handeln und dafür Sorge tragen, dass Gefahrenabwehr und Strafverfolgung bei Rechtsrock-Veranstaltungen konsequent umgesetzt werden, unabhängig von der Größe der Veranstaltung.“
Die Abgeordnete, die Sprecherin der Linksfraktion für Antifaschismus ist, ergänzt, dass das Innenministerium ihr erst vor wenigen Tagen auf eine Kleine Anfrage zum Szeneobjekt in Kirchheim mitteilte, welche Möglichkeiten bestehen, gegen Rechtsverstöße vorzugehen. Z.B. würden in Kirchheim regelmäßig Auflagen erlassen, wonach die Türen während der gesamten Veranstaltung nicht geschlossen bleiben, damit die Behörden notfalls Zugriff haben. „Doch was bringt es, wenn die Polizei offenbar weder im Saal ist, um die strafbaren Parolen zu registrieren, noch die Verantwortlichen dokumentiert oder im Nachgang entsprechende Identitätsfeststellungen sowie Dokumentationsmaßnahmen durchführt und wenig präsent ist? Das Thüringer Innenministerium muss schnellstens dafür Sorge tragen, dass die erforderlichen Sicherheitskräfte bei solchen Events vor Ort sind, um notfalls jederzeit einzuschreiten zu können, wenn wie am 11. August zum Mord an Jüdinnen und Juden aufgerufen wird. Andernfalls etabliert sich Thüringen immer weiter zur Wohlfühloase für Neonazis aus der ganzen Republik, aber auch aus anderen Ländern Europas, weil Neonazis das Gefühl bekommen, sie können machen was sie wollen“, so König-Preuss weiter.
Im Interview mit Stern TV berichtete der Journalist Kuban, dass die Polizei in Kirchheim bei mehreren seiner Undercover-Einsätze nicht bei strafrechtlich relevanten Parolen eingegriffen habe. Im August 2018 skandierten diese, wie im Video zu sehen ist, auch „Blut muss fließen knüppelhageldick und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik, lasst die Messer flutschen in den Judenleib“. König-Preuss hatte sich mehrfach nach Veranstaltungen in Kirchheim erkundigt (Drucksachen 5/5669 und 6/6056) und resümiert: „Seitdem die Immobilie in Kirchheim 2009 von Neonazis genutzt wird, haben dort bis 2017 mindestens 113 Veranstaltungen der extremen rechten Szene stattgefunden, darunter alleine 55 Konzerte und Liederabende von Neonazis. Kirchheim ist damit ein Hotspot der rechten Musikszene, dient als Rückzugs- und Vernetzungsort und sorgt für Geldfluss in die braunen Kassen.“ Die Abgeordnete verweist darauf, dass die Konzerte kein Geheimnis sind und es auch keine V-Leute benötigt, um von diesen zu erfahren: „Alleine in den letzten fünf Jahren wurden 31 von 32 extrem rechten Konzerten und Musikveranstaltungen in Kirchheim bei den Behörden im Vorfeld offiziell angemeldet. Oftmals werden die Flyer dazu auch über soziale Netzwerke offen verbreitet, man muss also nur hinsehen und die Augen aufmachen.“
Das Konzert im August mit mehreren Bands war laut König-Preuss das Abschiedskonzert der Neonazi-Band „Treueorden“, in der mehrere Neonazis Mitglied sind, die wegen des schweren Überfalls in Ballstädt vor Gericht standen, darunter der Hauptbeschuldigte Thomas W. Im Flyer für das Konzert wurde die Verurteilung zweier Mitglieder (im Ballstädt-Prozess) zu Haftstraften als Anlass der Veranstaltung genannt. „Die Polizei hat ausreichend Möglichkeiten, auf Veranstalter einzuwirken und notfalls das Konzert selbst aufzulösen. Dafür müssen die Beamten auch in die Lage versetzt werden, z.B. durch rechtzeitige Kräftebereitstellungen aber auch durch Polizeibeamte im Veranstaltungsbereich, die Straftaten im Saal zu erkennen und weitere Maßnahmen zu veranlassen. Die Neonazis lieferten selbst gute Gründe, um gegen das Konzert vorzugehen. Der Thüringer Innenminister muss seiner Ankündigung einer Politik der Nadelstiche Taten folgen lassen und deutlich machen, dass antisemitische Gewaltaufrufe und ‚Sieg Heil‘-Parolen zügig unterbunden und verfolgt werden. In Kirchheim war dies nicht der Fall.“
König-Preuss hat heute bei der Staatsanwaltschaft Erfurt wegen Volksverhetzung und Gewaltaufrufen in mehreren Fällen Strafanzeige gegen Verantwortliche des Konzertes, Bands und Teilnehmer erstattet.