Vom 08. bis 10. Mai fand die re:publica in Berlin statt, eine jährliche Konferenz zu den Themen Netzpolitik, Datenschutz, Digitalisierung und den dazugehörigen Themenfeldern. Die Tagung ist eine Art Chaos Computer Congress im Anzug, mit weniger Chaos und Basteln, dafür aber mehr Komerz und Minister, was nicht jedem gefällt. Insbesondere zwei Panels überschatteten in diesem Jahr durch ihre beteiligten Speaker die Konferenz vom ersten Tag an: So war etwa mit Thomas de Maizière der Minister eingeladen, der wie kein anderer in der Regierung Merkel für die tiefen, Grundrechte verletztenden Eingriffe in der Netzpolitik steht. Auf seine Kappe gehen allein zuletzt die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, die automatisierten Abfragen von Meldedaten durch Geheimdienste und – abseits der Netzpolitik, aber natürlich genauso kritisch zu sehen – die Verschärfung des §113 StGB. Natürlich ist es nicht verkehrt, einen so umstrittenen Menschen auf eine solche Konferenz zu laden, um ihn mit kritischen Fragen und Kommentaren Rede und Antwort stehen zu lassen. Debatte tut gut. Der versuchte sich der Bundesinnenminister aber durch filibustern zu entziehen: Er hielt sein Eingangsstatement so ausführlich, dass im Anschluss die Zeit für die Fragen doch sehr eingeschränkt blieb. Der angekündigte Dialog blieb so ziemlich auf der Strecke. Auf noch mehr Kritik stieß die Einladung eines Bundeswehr-Offiziers, der über die Werbestrategie der Truppe berichtete. Eine irgendwie kritische Befassung damit, wofür die Bundeswehr eigentlich Werbung betreibt, konnte in diesem Rahmen keinen Platz finden. Darüber haben viele ihren Unmut geäußert und so wahrscheinlich auch bei den Veranstaltern ein Umdenken beziehungsweise ein kritisches Hinterfragen ausgelöst, wie einige Statements andeuten.
Allgemein wird inzwischen die Tendenz zum „Mainstream“, wenn man denn so sagen möchte, von vielen kritisch gesehen. Dennoch gibt es noch immer Raum auch für das kleine: Aktivisten aus einer ganzen Reihe von Ländern von allen Kontinenten sprachen über ihre Probleme und Erfolge mit der Digitalisierung, wobei es im Gegensatz zur Euphorie früherer Jahre diesmal sehr oft hieß: „Das Internet allein kann es nicht richten. Aber es kann ein Werkzeug sein.“ Ja, da Internet kann ein Werkzeug sein, wenn es denn funktioniert. Eindrücklich machte etwa eine Frau aus Indien darauf aufmerksam, dass die Bewegung hin zur bargeldlosen Gesellschaft durchaus auch seine Nachteile jenseits der in Deutschland häufig diskutierten Datenschutzprobleme hat. Wird nämlich das Internet einmal abgeschaltet oder fällt aus, kommt praktisch alles öffentliche Leben zum Stillstand: kein Nahverkehr, kein Telefon, keine Versorgung mit den einfachen Mitteln der Lebensführung. Dieser Hinweis kann übrigens auch gleichzeitig als Hinweis darauf gesehen werden, dass eine offene Gesellschaft es nicht zulassen sollte, dass ihr Internet nur über ein, zwei zentrale Knoten mit dem Rest der Welt verbunden ist. Knüpft Netze!
Spannende Talks gab es dennoch auch in diesem Jahr wieder in Hülle und Fülle. Als Hauptthema zog sich die Frage nach den „Fake-News“, Wahlbeeinflussung durch „Social Bots“ und dieser ganze Themenbereich durch die Konferenz und bestimmte viele Vorträge und Panel. Leider sind die meisten noch nicht online, so dass wir sie später noch einmal thematisch sortiert nachreichen werden. Einige Beiträge kann man aber jetzt schon sehen.
In diesem Video beispielsweise wird auf wichtige Thema des politischen Framings eingegangen, weshalb man es sich als politisch interessierter Mensch unbedingt ansehen sollte – auch weil es dazu beitragen kann die eigene Anfälligkeit für dieses Mittel der Beeinflussung besser zu verstehen:
Der Vortrag „Mapping Facebook’s Algorithmic Empire“ versucht, die Black Box hinter der blauen Oberfläche zu öffnen und dabei den „komplexen und unsichtbaren Ausbeutungsprozess abzubilden und zu visualisieren“, der sich darin verbirgt. Das Video gibt es hier:
Datenschutz und die Aufweichung – oder auch die Verkomplizierung – waren häufig Thema auf den Panels, wobei die Europäische Datenschutzgrundverordnung, ihre Umsetzung in deutsches Recht und vor allem ihre kleine Schwester, die ePrivacy-Richtlinie, die Hauptrolle spielten. Letztere ist etwa Thema dieses Talks:
und auch Gegenstand dieses Streitgesprächs:
Abschließend sollte man sich auch dieses Video noch anschauen und vielleicht auch mal weitergeben, welches sich mit dem Problem der digitalen Kriegführung beschäftigt. Die aktuelle Welle der Wannacry-Ransomware zeigt ja gerade deutlich, wie gefährlich der Umgang von Geheimdiensten und Sicherheitsapparat mit Sicherheitslücken in der IT ist. Alexander Lehmann hat daraus ein Filmchen gemacht, welches leicht verständlich die Probleme aufzeigt: