Unrechtsstaatsdebatte
Thüringer Linke-Genossen streiten über DDR
In der Thüringer Linken wird 20 Jahre nach der Wiedervereinigung heftig über den Charakter der DDR gestritten. Genossen aus dem Kreisverband Saalfeld-Rudolstadt haben in einem offenen Brief behauptet, dass in der Bundesrepublik „täglich tausendmal mehr Unrecht geschieht als in 40 Jahren DDR-Geschichte“.
Hintergrund des Streites ist eine Äußerung der jungen Linken-Landtagsabgeordneten Katharina König, die den Wahlkreis Saalfeld-Rudolstadt vertritt. Sie hatte am 18. Juni im Landtag gesagt: „Für mich war die DDR ein Unrechtsstaat und ich brauche dazu keine Definition.“ Applaus bekam König von Bündnis 90/Die Grünen. Bei der Linken wurde die Aussage nur schweigend zur Kenntnis genommen. Trotzdem blieb die Äußerung nicht folgenlos. Die Pfarrerstochter aus Jena wurde von Genossen ihres Wahlkreises, unter ihnen ein Stadtrat und ein Mitglied des Kreisvorstandes, in einem offenen Brief scharf angegriffen. Sie warfen König unter anderem vor, Begriffe und Auffassungen „unserer politischen Gegner“ im Landtag öffentlich zu vertreten. Und sich mit „ihrer Geschichtslosigkeit noch arrogant“ zu brüsten.
König soll Abgeordnetenmandat niederlegen
Weiter hieß es in dem Brief: „Mit ihrem Kniefall vor dem Zeitgeist hat sich die Abgeordnete König politisch selbst disqualifiziert; mit ihrer Arroganz erweist sie sich nach unserer Ansicht auch charakterlich als ungeeignet, erfolgreich die Ziele unserer Partei vertreten zu können.“ Die Genossen aus Bad Blankenburg forderten König auf, ihr Landtagsmandat niederzulegen, da die Linke „politisch standhafte, kritische und von unseren politischen Zielen überzeugte parteiliche Kämpfer für eine politische Wende“ brauche und „keine gespaltenen Persönlichkeiten, politische Irrläufer oder egozentrische Karrieristen.“ Außerdem verlangten die Genossen von der Parteileitung und der Landtagsfraktion „eine Rückmeldung über die Konsequenzen“ nach Königs Landtagsrede.
„Geschichtslosigkeit im Kopf, Borniertheit und Geltungsstreben einer Landtagsabgeordneten sind das Letzte, was wir gegenwärtig brauchen, um schrittweise das von Krisen und sozialen Katastrophen geschüttelte kapitalistische System zu überwinden und an seine Stelle eine gerechtere, die Umwelt schonende und den Humanismus und die Kultur fördernde friedliche Ordnung zu schaffen.“
Offener Brief von vier Bad Blankenburger Linke-Genossen
Ramelow warnt vor Denkverboten
Fraktionschef Bodo Ramelow, der den Begriff „Unrechtsstaat“ für die DDR selbst nicht verwendet, antwortete den Autoren des Briefes: „Wer bestreitet, dass es in der DDR schreiendes Unrecht gab, hat von der DDR nichts mitbekommen.“ Und er fügte hinzu: „Jetzt den Begriff generell zum verbotenen Begriff zu machen, hieße im Sinne von George Orwell Denkverbot zu erlassen.“ Dass die Meinung der Bad Blankenburger Genossen keine Einzelmeinung in der Partei sei, zeigten die Leserbriefe in der Lokalzeitung und eine öffentliche Debatte im Wahlkreisbüro der Abgeordneten.