Meine Woche
Im Paradies
So richtig ist Petra Marr, die langjährige Heimleiterin der Katzhütter Flüchtlingsbaracken, noch nicht in Saalfeld angekommen. Bei der Besichtigung der neuen Unterkunft in Beulwitz erzählte sie Thüringens Ex-Innenminister Richard Dewes, wie sehr die früheren Bewohner an ihrem Katzhütter Heim gehangen hätten. Kaum eine Stunde seien sie weg gewesen, da seien schon die ersten Anrufe gekommen: „Wir wollen zurück ins Paradies“. Es gehört viel Phantasie dazu, sich das „Isolationslager“, dessen Schließung Bewohner beharrlich gefordert hatten, als Paradies vorzustellen. Es fällt halt schwer, sich von der selbst ersonnenen Legende zu trennen.
Die Altkader in der SED-PDS-Linken wissen, wovon die Rede ist. Ihre Legenden vom Paradies der Werktätigen, das lediglich durch ein paar vom Klassenfeind aufgehetzte Selbstmörder an der Staatsgrenze gestört wurde, haben zu Recht viele Leser erzürnt. Ein älterer Saalfelder, der sich am Weltfriedenstag an einem Stand der Linken in Rudolstadt nach der Landtagsabgeordneten Katharina König erkundigte, wurde barsch angefahren, was er denn von ihr wolle. „Mich bedanken“ sagte der Mann. Dafür, dass sie den Mut hat, in ihrer Partei die Wahrheit über die DDR zu sagen. Die Abgeordnete bekam er nicht zu Gesicht. Vielleicht weil König zu der Zeit schon unterwegs in der Kreisstadt war, um bei der Einzugsfeier der Flüchtlinge dabei zu sein. Vier der 26 Neusaalfelder werden auf Wunsch der Eltern ab Montag eine Schule besuchen. Vielleicht ist Beulwitz nicht das Paradies, es ist aber ein Ort, wo Menschen sicher sind vor staatlicher Repression, Verfolgung und ethnischer Säuberung.
Dass sich die Familien bei uns wohlfühlen, dafür kann jeder im Alltag etwas tun. Manchmal genügt ein Lächeln im Marktkauf, das ihnen zeigt, ihr seid willkommen.
von Thomas Spanier