Rede: Kommunalwahl ab 16 Jahren

Drittes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes

Zum Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/DieGrünen – Drucksache 5/478

Katharina König, MdLSehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sehr geehrter Herr Kellner, jetzt noch mal spezifisch zum Thema, an der Politikverdrossenheit ließe sich durch ein Absenken des Wahlrechtes nichts ändern, das ist falsch. Der Autor der Shell-Jugendstudie, das ist ja nun wirklich keiner, den man so einfach in irgendeine Schublade stecken kann, sondern der vorhin schon zitierte Klaus Hurrelmann sagt, dass dadurch sehr wohl die Politikverdrossenheit bei Jugendlichen aufgehoben werden kann und sie stärker mit einbezogen werden können. Das sagt er auch nicht irgendwo, sondern das sagt er in einem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung, wo es sich übrigens lohnt, zu dem Thema auch mal zu recherchieren.

Herr Adams, Jugendliche, auch 17-Jährige, sitzen heutzutage nicht mehr hinter dem Ofen. Die Klientel zum Thema jugendgerechte Sprache, die Sie meinen, das sind die sogenannten Kellerkinder heutzutage, die den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen. So nennt man sie jedenfalls.

Grundsätzlich erst mal ein Dankeschön von uns, von der Fraktion DIE LINKE zu dem vorgebrachten Antrag. Dieser Antrag entspricht dem, was wir als LINKE seit mehreren Jahren fordern und auch versuchen wollen und unterstützen werden, um dieses Ziel umzusetzen. Ich bin mal ein bisschen anders vorgegangen und habe mal nicht so die Standardargumente herausgesucht, die jeder erwartet und die zum großen Teil auch, Entschuldigung, Herr Adams schon vorgebracht hat, sondern habe mal ein bisschen recherchiert, was hat denn die Landesregierung in den letzten zehn oder 20 Jahren zu dem Thema schon gemacht. Und siehe da, es gibt von 1999 …

Vizepräsidentin Rothe-Beinlich:

Entschuldigung. Könnten bitte die Zwischengespräche so geführt werden, dass trotzdem noch alle die Möglichkeit haben, der Abgeordneten König zu lauschen? Das ging an die Reihen der CDU, meine sehr geehrten Herren dort. Danke schön. Herr Barth war auch gemeint, danke.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Gibt es zum Zuhören eine Pflicht?)

Nein, aber es gibt die Bitte, nicht für so einen Lärmpegel zu sorgen, dass die Rednerin nicht mehr zu hören ist. Herr Fiedler, wir hören Ihnen auch zu, wenn Sie Ihren Redebeitrag angemeldet haben.

Abgeordnete König, DIE LINKE:

Ich bin ja wirklich froh über die Erziehung, die ich genossen habe, da versucht man zuzuhören.

(Beifall DIE LINKE)

(Heiterkeit CDU)

(Zwischenruf aus dem Hause: Es hat sehr viel genützt, das merkt man.)

Jedenfalls gab es 1999 von der damaligen Landesregierung – das war übrigens auch CDUund SPD-Koalition, jedenfalls bis in den Sommer hinein – eine Studie, eine Anmerkung zum 10. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung. Da hat die Landesregierung ausgeführt, dass sie der Meinung ist, dass die Interessen der Altersgruppe, also der Jugendlichen, in der Regel von Erwachsenen stellvertretend artikuliert werden

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das ist in Ordnung.)

und die unmittelbare Partizipation von Kindern und Jugendlichen an den sie betreffenden Entscheidungen sowohl innerhalb der Jugendhilfe als auch im kommunalpolitischen Umfeld und den Schulen noch die Ausnahme darstellt. Das „noch“ lässt mich hoffen, dass die jetzt nach zehn Jahren wiedervereinigte Koalition es heute umsetzen will. Ebenso teilte die damalige Landesregierung die Auffassung, dass die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen an allen sie betreffenden Entscheidungen und gesellschaftlichen Prozessen ein unverzichtbarer Bestandteil lebendiger Demokratie ist – ich hoffe, Herr Kellner, Sie haben das gerade gehört, weil Sie ja Kontra angeführt haben -, ebenso, dass diese Aufgabenstellung eben nicht nur innerhalb der Jugendhilfe, sondern darüber hinaus von großen Handlungsdefiziten und Unsicherheiten der handelnden Eltern, Pädagogen und der Politik geprägt ist. Vielleicht lohnt es sich, nicht nur für Neulinge im Parlament, sondern auch für die älteren Erfahrenen alte Berichte der Landesregierung, zumal, wenn sie aus einer Koalition stammen, die heute auch noch aktiv ist, nochmals zu lesen und dann auch entsprechend zu handeln. Meine Erklärung ist, dass aufgrund der Wahlen, die dann im Herbst 1999 stattfanden – dieser Bericht stammt vom 15. Juli 1999, im Herbst 1999 Neuwahlen, ich glaube, 51 Prozent CDU-Regierung, Alleinregierung -, die Zeit in der Sommerpause einfach nicht mehr ausgereicht hat, um ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen und auch zu verabschieden. Von daher hoffe ich und setze auch ein Stück weit voraus, dass Sie den GRÜNEN dankbar sind, dass die das jetzt aufgenommen haben und dass Sie als Regierung, als Koalition den Antrag der GRÜNEN ebenso wie wir, DIE LINKE, mit unterstützen werden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die von Herrn Kellner vorgetragenen Kontrameinungen – und ich bin mir sehr sicher, dass möglicherweise von anderen auch noch ähnliche kommen werden – gehen meiner Meinung nach von einem veralteten Modell einer Gesellschaft aus und vor allem von einem veralteten Modell eines Lebenslaufs, der in drei Phasen aufgeteilt ist:

Phase 1: betreuen, bilden, ausbilden;

Phase 2: die Erwerbs- und Erwachsenenphase, also Familiengründung, Ausbildung aufnehmen, Arbeit aufnehmen und eben auch die politische Mündigkeit;

Phase 3: der Austritt aus dem Erwerbsleben, aber bei Beibehalt dieser politischen Mündigkeit.

Nach dem Muster wäre Kindheit und Jugend als Phase eine reine Vorbereitungsphase auf die eigentlich wirkliche. Ich hoffe, dass dieses Muster keiner mehr hier in diesem Hause teilt, denn, wie es vorhin schon von Herrn Adams angesprochen wurde, 14-, 15-, 16-Jährige sind heute viel weiter, als dies noch vor 20, 30 oder noch mehr Jahren der Fall war.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Da haben Sie doch noch gar nicht gelebt.)

Jugendliche, gerade Mädchen treten heute zum Beispiel mit 11,5 Jahren bereits in die sogenannte Lebensphase Jugend ein. Bei Jungen ist das wie immer später der Fall, das beginnt erst mit zwölfeinhalb Jahren.

(Unruhe im Hause)

Das musste einfach sein.

16-Jährige oder auch 15-Jährige bekommen vollkommen zu Recht von der Gesellschaft das Recht zugesprochen, dass sie in der Lage sind, sich frei ihren Ausbildungsplatz zu wählen, sofern das heutzutage noch möglich ist, und sie dürfen auch zur Polizei und bei der Polizei eine Ausbildung machen. Das möchte mir mal bitte der Innenminister oder jemand anderes erklären, wie man auf der einen Seite Jugendlichen das Recht zugesteht, uns in Ausbildung zu schützen, auf der anderen Seite wir ihnen aber das Recht verweigern, mit uns, für uns und vor allem für sich selber und ihre spezifischen Themen zu wählen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich dafür eine logische Erklärung höre, die ich auch nachvollziehen kann – das wird sehr schwer -, bin ich bereit, noch einmal über meine Argumentation nachzudenken, solange hoffe und erwarte ich, dass die SPD und CDU – bei der FDP bin ich mir da unsicher – den Antrag der GRÜNEN mit unterstützt und wir in Thüringen das Wahlalter auf 16 Jahre herabsenken können. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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