Das Ausmaß, die Vernetzung und die Gefährlichkeit der ‚Reichsbürger‘-Szene in Thüringen wurde erst in der vergangenen Sitzung von den Sachverständigen Andrea Röpke und Andreas Speit im Untersuchungsausschuss „Politisch motivierte Gewaltkriminalität“ umfangreich thematisiert. Am folgenden Tag fanden dann u.a. in Thüringen Durchsuchungen und Festnahmen bei Reichsbürgern statt. Nun beantragen die rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen alle Akten, Vorgänge und Unterlagen für den Untersuchungszeitraum (seit 2011) zur sogenannten Reichsbürgerbewegung vorzulegen. Ebenso sollen alle Akten zu Waffenfunden, Waffenbesitz und Waffenhandel im Kontext der Reichsbürger dem Untersuchungsausschuss beigezogen werden. Katharina König-Preuss, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im UA 7/3 erklärt dazu:
„Die aktuellen Durchsuchungsmaßnahmen zeigen deutlich die Verbindungen zwischen Reichsbürgern, extrem rechten Strukturen wie ‚Freies Thüringen‘ aber auch zu Akteuren altbekannter völkischer und militanter Neonazi-Netzwerke bis hin zur AfD auf. So unterstützte bspw. der zu ‚Patrioten Ostthüringen‘ und ‚Freies Thüringen‘ gehörende Frank Haußner nicht nur den Kopf der gestern durchsuchten Reichsbürger-Struktur, sondern trat ebenso bereits mehrfach auf Veranstaltungen der AfD auf. Spannend und die weitgehende Vernetzung rechter Strukturen aufzeigend ist ebenso, dass über ihn auch eine Verbindung zur neonazistischen Artgemeinschaft besteht, die völkisch-rassistisches und antisemitisches Gedankengut vertritt. Verstärkt in den Fokus rücken sollte, dass Reichsbürger bereits seit mehreren Jahrzehnten in Thüringen aktiv sind.“
Die Abgeordnete verweist beispielhaft auf die „Exilregierung Deutsches Reich“ sowie die „Kommissarische Reichsregierung“, die über mehrere Jahre hinweg in Mosbach u.a. Kabinettssitzungen abhielten. „So war bspw. Christian Bärthel, verurteilter Holocaust-Leugner, einer der Hauptprotagonisten der ‚Kommissarischen Reichsregierung‘. Bärthel arbeitete für NPD-Abgeordnete, unterstützte die AfD und ist auch bei ‚Freies Thüringen‘ und ‚Patrioten Ostthüringen‘ um Frank Haußner aktiv. „Solche Kontinuitäten und Entwicklungen lassen sich am besten in einem Untersuchungsausschuss beleuchten, weil hier mit umfangreichem Aktenmaterial aus einem längeren Zeitraum gearbeitet werden kann“, so König-Preuss. Relevant sei außerdem, dass schon 2018 während einer Durchsuchung bei Reichsbürgern in Sondershausen ein erhebliches Waffenarsenal gefunden wurde. All dies sei Anlass, Strukturen und Vorgänge um Reichsbürger umfassend auch mit entsprechender Aktenlage im UA zu beleuchten. „Da sich auch Verbindungen u. a. zum extrem rechten ‚Freies Thüringen‘ sowie der Corona-Leugner-Szene zeigen, werden wir auch hier das vorhandene Aktenmaterial anfordern“, kündigt König-Preuss an. Für die weitere Arbeit des Untersuchungsausschusses betont die Abgeordnete: „Die aktuellen Durchsuchungen und Festnahmen unterstreichen erneut, was wir von Anfang an sagen: Es gibt seit Jahrzehnten ein enormes Gefahrenpotential für die demokratische Kultur und die Sicherheit der Menschen in Thüringen durch rechte Strukturen. Hierauf sollte sich auch der Untersuchungsausschuss konzentrieren. Während ein extrem rechtes Netzwerk nach dem anderen hochgenommen wird, weiterhin eine Gefahr von Links in Thüringen herbeizureden, welche parlamentarisch aufzuklären wäre, ist offensichtlich rein ideologisch motiviert und dient vor allem der Relativierung der Gefahr von rechts.“