„In den letzten Jahren haben Aufrufe innerhalb der extrem rechten Szene zugenommen, nach Thüringen zu ziehen, hier Immobilien zu kaufen oder sich niederzulassen. Die neonazistische Initiative ‚Zusammenrücken in Mitteldeutschland‘ wirbt dabei in rassistischer Weise mit der geringen Anzahl von People of Color in Ostdeutschland. Augenfällig war bereits die Ansiedlung bundesweit bekannter Führungspersonen in den vergangenen 3 bis 4 Jahren sowie entsprechende Immobilienkäufe. Wie nun die Antwort des Thüringer Innenministeriums auf meine Kleine Anfrage zeigt, haben sich allein zwischen 2019 und Sommer 2023 mehr als 50 Personen der extremen Rechten aus allen Bundesländern – mit Ausnahme des Saarlands und Bremen – in Thüringen neu angesiedelt. Es ist ein Alarmsignal, dass sich die extrem rechte Szene in Thüringen zu wohl fühlt und es – jenseits von Bundesbehörden – deutlich mehr Anstrengungen benötigt, rechte Strukturen zu zerschlagen“, so Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion.
Auf Basis der An- und Abmeldebescheinigungen über die Einwohnermeldeämter sind beispielsweise entsprechende Zuzüge nachvollziehbar. König-Preuss hatte die Landesregierung um Darstellung nach einzelnen Jahren gebeten, wobei jährlich Zuzüge im unteren zweistelligen Bereich zu verzeichnen waren. Auch die Darstellung nach Bundesländern erfolgte anonymisiert (z.B. „mittlerer einstelliger Bereich“), weshalb in Summe von mindestens 52 und maximal 78 Zuzügen aus der extrem rechten Szene zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 1. Juni 2023 nach Thüringen auszugehen ist. Die meisten Zuzüge mit rund zwei Dritteln sind dabei aus den alten Bundesländern erfolgt. Zwar sei den Sicherheitsbehörden die Initiative „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“ auch bekannt geworden, ein „inhaltlicher oder organisationaler Zusammenhang“, z.B. in den Südthüringer Raum, könne jedoch nicht bestätigt werden, heißt es in der Antwort des Innenministeriums.
Die Abgeordnete weiter: „Der vorbestrafte Neonazi-Rapper MakSS Damage, ein Mitglied der Neonazi-Kultband ‚Sleipnir‘, ein Mitglied des Bundesvorstands der NPD (heute HEIMAT), ein relevanter Vertriebsakteur der erst kürzlich verbotenen Hammerskin-Nation Deutschland oder auch der Kopf des militanten ‚Combat18′-Netzwerkes sind nur einige Beispiele der extremen Rechten, die es zuletzt nach Thüringen verschlagen hat. Gerade im Sonneberger Ortsteil Haselbach gab es erhebliche Bestrebungen, Immobilien zu erlangen. Nach meiner Kenntnis betreibt die Initiative ‚Zusammenrücken in Mitteldeutschland‘ hier durchaus eine Vermittler-Funktion und wirbt gezielt auch in sozialen Medien für Umzüge nach Thüringen, auch in den Sonneberger Raum.“
In einer weiteren Antwort auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten bestätigt die Landesregierung, dass allein 23 Immobilien und Rückzugsorte in Thüringen als „rechtsextremistisch genutzt“ klassifiziert werden, davon vier in Sonneberg. König-Preuss erklärt dazu: „Damit sind jedoch längst nicht alle Immobilien, die die rechte Szene in Thüringen nutzen kann, erfasst. So fehlen mindestens sechs weitere Immobilien, die über ganz Thüringen verstreut sind. Fraglich ist dabei auch, warum zwei Objekte des früheren NPD-Landesorganisationsleiters, die auch für rechte Treffen genutzt werden können, nicht entsprechend eingeordnet sind. Das Innenministerium muss unbedingt gezielter gegen diese rechten Rückzugsräume vorgehen und insbesondere Kommunen stärker beim Vorgehen gegen rechte Strukturen unterstützen. Es besteht die Gefahr, dass sich in der bundesdeutschen Neonazi-Szene der Eindruck verfestigt, in Thüringen könne man sich ungestört ansiedeln und rassistische, antisemitische und neonazistische Aktivitäten sorglos entfalten.“