Es ist ja nichts neues, dass die AfD ihre ideologische Angel in den braunen Sumpf Ostthüringens wirft. Und dass sie dabei den ein oder anderen Nazi in die Öffentlichkeit zieht, ist spätestens seit David Köckerts inszeniertem Übertritt aus der Partei in die NPD 2014, bekannt. In letzter Zeit verzichtete man aber bei der AfD zunehmend auf die bürgerliche Fassade. Höckes Rede im Ballhaus Watzke in Dresden stellt dabei nur die für alle sichtbare Spitze des Eisbergs dar. Die Rede von Poggenburg im sachsen-anhaltinischen Landtag, der von Andersdenkenden als „Wucherungen am deutschen Volkskörper“ sprach und andere NS-Diktion mehr von sich gab, schlägt klar in dieselbe Kerbe.
Es verwundert daher nicht, dass in der Veranstaltung am 3.Februar in Kahla – die unter dem treffenden Motto „Wofür die AfD wirklich steht“ stand – die versammelte Mannschaft der Rechtsextremisten rund um Kahla im Publikum saß. Aber das ist noch längst nicht alles. Im Nachgang der Veranstaltung gründete sich in Seitenroda, nur ein Katzensprung von Kahla entfernt, noch am gleichen Wochenende ein neuer Verein innerhalb der AfD, der die „Patriotische Plattform“ noch rechts überholen will. Die sogenannte „Freiheitliche Patriotische Alternative“ (FPA) sieht sich als „neues politisches Korrektiv“, welches eine „zielführende innerparteiliche Auseinandersetzung“ anstrebt, wie der Tagespiegel schreibt. Was das heißen könnte, sollte mit einem Blick auf das Personal klar sein. Zur Führungsriege der neuen Vereinigung gehört etwa der Leipziger Anwalt Roland Ulbrich, der bereits bei Legida und noch weiter rechts zu verordenten Demonstrationen Redner war. Auch Uta Nürnberger ist nun ein Vorstandsmitglied dieses neuen Vereins – obwohl von Seiten der AfD manchmal ihre Mitgliedschaft in der Partei dementiert wurde. Sie gehörte gleichzeitig dem Vorstand des Vereins der Nazi-Organisation Thügida an. Sie war bereits häufig zu Gast auf den Demonstrationen der Truppe, die maßgeblich vom bereits oben genannten David Köckert und dem Leipziger Neonazi Alexander Kurth organisiert und koordiniert wird. Teilgenommen hatte sie auch an einem Sommertreffen von NPD-Kader Udo Voigt in Guthmannshausen im letzten Jahr. Für den April ist zudem offenbar eine Veranstaltung des „Freundeskreis Thüringen/ Niedersachsen“ mit Beteiligung von Nürnberger, Kurth, Köckert, Thorsten Heise und anderen Nazisa angekündigt. Über diesen Freundeskreis und seine Zusammenarbeit mit der AfD hatten wir ebenfalls bereits berichtet. Inzwischen hat auch er eine gemeinsame Thügida/Freundeskreis-Seite auf facebook.
Offenbar nahmen die Rechtsextremisten den Besuch in Kahla zum Anlass, sich noch mehr „auszutoben“. Für Empörung sorgten bereits einige Nazis, die zu den Besuchern der AfD Veranstaltung zählten, die die Kerzen vor den Stolpersteinen in der Margarethenstraße löschten. Diese waren zum Gedenken an die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus entzündet worden und von den Männern mit Bier überschüttet. Ein paar Tage später wurde der Kahlaer Demokratieladen wie auch das in der Nachbarschaft befindliche Büro der SPD zum Ziel einer Attacke: Ihnen wurden die Schlösser zugeklebt – etwas, das wir auch aus Saalfeld kennen. Auch fanden sich im Anschluss an die Veranstaltungen Graffitti mit Hakenkreuzen und entsprechenden Parolen in Kahla. Besonders bescheuert, aber dadurch ja auch irgendwie passend, sind die Schmierereien offenbar gleicher Herkunft auf den Plakaten einer Aufklärungskampagne des Bundesministeriums für Gesundheit, die vor Sexualkrankheiten warnt. Was Anlass für diesen Hass gegen gesundheitliche Aufklärung im Sexualbereich bei den Nazis war, kann man nur mutmaßen. Dass sie sich der Diktion der AfD bedienten, kann man in Kahla aber gewiss nicht als Zufall ansehen.
Es verwundert wenig, dass die FPA sich nach eigenem Bekunden inhaltlich an der Rede Höckes in Dresden orientieren will und sich offen gegen den „entschärften“ Kurs von Petry positioniert. Unter etwas anderen Vorzeichen dürfte die Veranstaltung in Hermdorf am 9. Februar gestanden haben. Dort war von einer „Bürgerinitiative“ Frauke Petry eingeladen worden, doch der angebliche Dialog war eher ein AfD-Schaulaufen. Auch hier saßen mehrere Thügida-Mitglieder im Saal und zwei Vorstandsmitglieder ließen sich im Nachgang mit Petry ablichten. Auch wenn sich das nahtlos an die Kahla-Veranstaltung anzuschließen scheint, so legt die Inszenierung von Thügida dem Ganzen eine andere Bedeutung bei. Dass Petry wusste, mit wem sie sich dort ablichten lässt, ist nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Zu sehr ist die AfD-Chefin sonst auf die Wahrung bürgerlichen Anscheins bedacht. Die NPD benutzte den Trick, ihre Kandidaten neben bürgerlichen oder gar linken Politikern abzulichten, in mehreren Wahlkämpfen, um so zu suggerieren, dass ihr Kandidat die Unterstützung des unwissenden Politikers besäße. Dass der ehemalige NPD-Wahlkampfverantwortliche Köckert diese Taktik zu Thügida mitgebracht hat, kann nicht verwundern. Die Intensität und die Art und Weise, mit der die Veranstaltung in Hermsdorf von Thügida ausgeschlachtet wird, legt nahe, dass es sich eher um einen PR-Coup handelt. Und er geht auf, denn die Bilder verbreiten sich viral und in den Medien. Außerdem kann somit Druck auf Petry innerhalb der AfD erzeugt werden.