Verfassungsschutz spioniert Postsendungen aus

thumb_vsthueIn den letzten Tagen berichteten verschiedene Medien über die Postüberwachungspraxis des US-Geheimdienstes „NSA“, welcher auch Briefe und Pakete abfängt, öffnet und Inhalte manipuliert. Wie nun aus der Antwort einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion hervorgeht, kommen Postüberwachungen in Thüringen nicht nur bei strafprozessualen Anlässen oder der Überprüfung von Haftpost bei Gefangenen zum Einsatz. Auch der Thüringer Verfassungsschutz benutzt mehrere tausend Euro teure Geräte von einem „Staatstrojaner“-Hersteller um Postsendungen mit „Dampferzeugern“ zu öffnen, auszuspionieren und wieder zu verschließen. „Nachdem die Landesregierung jetzt einräumte, dass der Verfassungsschutz Thüringer Postunternehmen direkt aufsucht, um abgefangene Brief- und Paketsendungen quasi noch neben dem Postförderband auszuforschen, ergibt sich für uns einiger Nachfragebedarf“, so Katharina König, LINKE-Landtagsabgeordnete und Mitglied des Innenausschusses.

So verfügt nach Angaben der Landesregierung der Thüringer Inlandsgeheimdienst über vier Geräte, darunter zwei „transportable Briefbearbeitungskoffer“. Kosten für einen Koffer: Rund 8.000 Euro sowie Zubehör für weitere 1225 Euro, beispielsweise der Dampferzeuger. Die Landesregierung berichtet in ihrer Antwort, dass Thüringer Verfassungsschützer bei Postdienstleistern auch vorsortierte Post öffnen und auswerten oder Sendungen aus dem Postlauf entnehmen und in das Erfurter Verfassungsschutzamt bringen, um sie dort genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Dienstleister seien per G10-Gesetz* zur Mitwirkung verpflichtet, eigene Räumlichkeiten stünden dem Nachrichtendienst aber nicht zur Verfügung.

„Dass der Thüringer Verfassungsschutz Gerätschaften zur Briefüberwachung ausgerechnet jener Firma einsetzt, die bereits im Zusammenhang mit dem so genannten ‚Staatstrojaner‘ und dessen verfassungsrechtlich-bedenklichen Funktionsumfang in Verruf geraten ist, lässt uns aufhorchen“, so Frau König mit Bezug auf die DigiTask-Technik. Die neuerliche Antwort der Landesregierung, insbesondere der Umstand, dass Verfassungsschützer offenbar die Postverteilzentren direkt ansteuern, biete Anlass für Nachfragen. So soll nun auch geklärt werden, ob der Inlandsgeheimdienst die Postüberwachungen und Inhaltsentnahmen nach ähnlich sorgfältigen Standards dokumentiert und versiegelt wie die Polizei mit Asservaten verfährt.

„Nebulös bleiben weiterhin die Einsatzbereiche und Häufigkeit, da dass Innenministerium mit Verweis auf die Geheimhaltung nur angibt, dass Postüberwachungen in allen Phänomenbereichen des Verfassungsschutzes in Betracht kämen“, so Frau König. Mit der erneuten Anfrage möchte die Linksfraktion von der Landesregierung auch wissen, ob überhaupt und wenn ja, wie Manipulationen der Briefinhalte bei Öffnungen durch den Verfassungsschutz ausgeschlossen werden können. DIE LINKE fordert die Abschaffung des Verfassungsschutzes einschließlich seiner nachrichtendienstlichen Befugnisse. „Solch schwerwiegende Eingriffe in das Post- und Fernmeldegeheimnis sollten nicht unkontrollierbar den Schlapphüten überlassen werden, sondern neben den Justizvollzugsanstalten nur Strafverfolgungsbehörden vorbehalten sein, wo bei Postüberwachungen im Gegensatz zum Geheimdienst die Anwesenheit von Richtern bzw. Staatsanwälten zwingend erforderlich ist“, so die Abgeordnete abschließend.


Download Antwort 1. Anfrage: Postüberwachung in Ermittlungsverfahren
Download Antwort 2. Anfrage: Postüberwachung nachgefragt (VS)
Download Neu: 3. Anfrage Postüberwachung nachgefragt II (VS) – noch unbeantwortet

* nach dem bundesweiten G10-Gesetz bzw. dem zusätzlichen Thüringer G10-Ausführungsgesetz sind die Telefon- und Postüberwachungsmaßnahmen durch den Verfassungsschutz vorher zu beantragen bzw. der G10-Kommission des Thüringer Landtages mitzuteilen, dass kann auch erst zwei Wochen später passieren. Das 3-köpfige Gremium (zusätzlich zur parlamentarischen Kontrollkommission) besitzt eingeschränkte Kontrollrechte und kann theoretisch auch Maßnahmen für unzulässig erklären. Sowohl die Maßnahmen selbst als auch die Kontrolle ist -wer hätte es anders vermutet- geheim, die G10-Kommissionsmitglieder sind auf Lebenszeit zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das Gremium soll z.B: über „Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit“ dieser Bespitzelung entscheiden (§ 3, AG G10, Abs. 1) . Die Betroffenen selbst können und dürfen jedoch von selbigen Maßnahmen nichts wissen. Folglich können sie sich im Grunde auch so gut wie gar nicht bei laufenden Überwachungen beschweren.  Benachrichtigungen finden wenn überhaupt meist erst sehr spät, teils 10 Jahre nach Überwachungsende statt. Das Gesetz bestimmt auch,  dass jene Unternehmen die z.B:  Post befördern entsprechend Mitarbeiter abstellen müssen, welche die G10-Maßnahmen der Verfassungsschutzämter bearbeiten. Diese müssen einer einfachen Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden und aktenkundig eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben.

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