Thüringer Landtag 26.01.2011
5. Wahlperiode
A n t r a g
der Fraktion DIE LINKE.
Thüringer Verzicht auf eine sogenannte Antiextremismuserklärung
Die Landesregierung wird aufgefordert, gegenüber der Bundesregierung für die Rücknahme der sogenannten Antiextremismusklausel im Rahmen des Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ Sorge zu tragen, in Thüringen die geförderten Projekten abverlangte Erklärung an die Letztempfänger bei gleichzeitiger Sicherstellung der Finanzierung der Projekte nicht weiterzugeben.
Begründung
Im Rahmen des neuen Bundesprogramms „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ sollen die Zuwendungsempfänger eine Bestätigung unterschreiben, mit der sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und zur Förderung der Ziele des Grundgesetzes bekennen. Weiterhin sollen Träger dazu verpflichtet werden auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Selbst der Anschein der Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller wie immaterieller Leistungen durch die Projekte soll durch Erklärung ausgeschlossen werden. Laut Bundesregierung (BT-Drucksache 17/4269) soll eine Nichtunterzeichnung bzw. ein Verstoß gegen die Erklärung zur Nichtausreichung bzw. Rückförderung der Fördermittel führen. In den Erläuterungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird auch eine Zusammenarbeit mit Strukturen und Mitglieder der Partei DIE LINKE zumindest teilweise einer Förderung durch das Bundesprogramm entgegenstehen. Zur Überprüfung der Kooperationspartner, eventueller TeilnehmerInnen an Podiumsdiskussionen usw. wird geraten, sich im Zweifelsfall auch die die Landesämter für den Verfassungsschutz zu wenden, die ihre Informationen mit grundrechtsverletzenden Befugnissen erhalten.
Diese so genannte Antiextremismusklausel begegnet erheblicher Kritik. Die Erklärung der Ministerin impliziere „einen Generalverdacht gegen jedes Engagement gegen Rassismus und Rechtsextremismus“, sagte Roland Roth, Mitinitiator des Aufrufs und Professor für Politikwissenschaften an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Dass ausgerechnet jene Initiativen, die vor Ort für Demokratie und Toleranz offen aufträten, pauschal als demokratiefeindlich betrachtet würden, hält Roth für untragbar.
Die Generalsekretärin der SPD, Andrea Nahles, warf der Bundesregierung vor, die Erklärung sei im Grunde das Papier nicht wert, auf der sie steht, da man für niemand anderen bürgen könne. Die frühere SPD-Kandidatin für Amt der Bundespräsidentin, Gesine Schwan, nannte die Erklärung „völlig inakzeptabel“.
Zivilgesellschaftliche und seit Jahren engagierte Projekte für Demokratie gegen Rechtsextremismus werden praktisch gezwungen, ihre Bündnispartner durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, nannte diese „Aufforderung zur Schnüffelei“ eine Zumutung und verwies darauf, dass aus der Kritik an der Erklärung keinesfalls die Ablehnung eines Bekenntnisses zur Demokratie geschlussfolgert werden kann. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus (BAGKR) forderte, auf die Extremismuserklärung „ersatzlos zu verzichten“.
Während in den letzten 20 Jahren über 140 Menschen von rassistisch und rechtsextrem motivierten Gewalttätern ermordet wurden, werden durch die geforderte Erklärung Faschismus und Antifaschismus ohne historische und ethische Rechtfertigung leichtfertig nivelliert (vgl. Prof. Roland Roth) und die extreme Rechte und die antikapitalistische Linke gleichgesetzt.
Die abgeforderte Erklärung begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Prof. Dr. Dr. Battis kommt in seinem Gutachten „Zur Zulässigkeit der ‚Extremismusklausel’ im Bundesprogramm ‚Toleranz fördern – Kompetenz stärken’ zu dem Ergebnis, dass die Sätze 2 und 3 der abgeforderten Erklärung gegen den Gleichheitsgrundsatz in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes verstoßen und daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien.