Vom 28. Februar bis 05. März fand in Thüringen die landesweite Vortragsreihe „Leben im Rausch“ statt. Veranstaltet von der Linksjugend [’solid] Thüringen und mit finanzieller Unterstützung des Freistaates Thüringens tourte das Haskala eine Woche lang mit dem Autor und Lektor, Daniel Kulla, durch sechs verschiedene Thüringer Städte. Mal in gemütlicher Atmosphäre und kleinen Runden, mal im von über 70 Leuten überfüllten Veranstaltungssaal, aber immer mit anschließenden Gesprächs- und Diskussionsrunden drehte sich der Vortrag um Fragen wie: Was ist Rausch, woher kommt er, welche Bedeutung hat er für den Einzelnen und wieso wird Rausch in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft nur auf Waren reduziert, die produziert und vertrieben werden, um bestimmte Rauschzustände herbeizuführen…
Daniel Kulla lieferte einen umfangreichen Einblick in eine Welt abseits nüchterner Zurechnungsfähigkeit zwischen buntem Sinnestaumel, unbefriedigtem Gewohnheitsgebrauch und den Möglichkeiten vom kontrollierten Herbeiführen der Rauschzustände zum Zwecke des Erkenntnisgewinns und der persönlichen Bewusstseinsveränderung. Er machte unter anderem deutlich, dass unser Nervensystem nicht zwingend auf die Einnahme bestimmter Substanzen angewiesen ist, um einen Wahrnehmungsüberhang zu erzielen. Ausgefeilte Atemübungen seien da nur ein Beispiel. Der Referent beleuchtete den geschichtlichen Wandel des Rausches, die Ambivalenz zwischen Verteufelung und Notwendigkeit; wie die Gesundheitsindustrie auf Konsumenten für Schmerz- und Rauschmittel angewiesen war (und ist) und wie das Bürgertum vor hundert Jahren schließlich die erste Verbotswelle vom Zaun brach, weil der wichtigste Mehrwert im Kapitalismus, die eigene Arbeitskraft, bedroht schien.
Nach Einführungen in den Gesundheitsbegriff im kapitalistischen Verständnis sowie der Gegenüberstellung eines bedürfnisorientierten Gesundheitsverständnisses und einem Abriss um Prohibition und Kontrolle wurde auf die verschiedenartige Nutzung von bewusstseinserweiternden Substanzen in den letzten Jahrzehnten eingegangen, wissenschaftliche Entdeckungen wurden dabei ebenso erläutert wie der Gebrauch von LSD als Mittel zur Gesellschaftsveränderung.
„LSD, Dope und die 60er“ – mit dem Kapitel ging Daniel Kulla ausführlich auf den Versuch ein, durch Einnahme gewisser Substanzen und der damit einhergehenden Bewusstseinserweiterung eine Veränderung der Gesellschaft herbeizuführen und die bestehenden Verhältnisse zu ändern. Daniel Kulla erläuterte sowohl Wirkungsweise und die damit in den 60iger Jahren erhofften Möglichkeiten als auch die Risiken und Gefahren der Einnahme von LSD.
Ausgehend von der an die 60iger Jahre anschließenden zweiten Verbotswelle wurde die Entstehung von Drogenkartellen und deren Kontrollfunktionen – teilweise gegenüber Staaten – dargestellt und die in Europa stattfindenden Legalisierungsdiskussionen kritisch beleuchtet, da diese meist nur auf der Grundlage von ordnungs- und steuerpolitischen Abwägungen stattfinden. Anstelle Bedürfnisse von Konsumenten in den Vordergrund zu stellen wird diesen gegenüber – bei gleichzeitiger Kriminalisierung und damit einhergehender Entsolidarisierung mit Kleindealern – maximal Toleranz geübt . Problematisch ist hierbei, dass weder Herstellung noch Vertriebswege in der Legalisierungsdebatte eine Rolle spielen bzw. die Notwendigkeit dieser im Sinne eines „kontrollierten Rauschs“ beachtet werden.
Im Sinne eines emanzipatorischen Umgangs mit Rausch wies Kulla auf die Notwendigkeit zu erreichender Bedingungen für diesen hin und verwies auf den von Timothy Leary formulierten Grundsatz „…die Qualität von Drogenerfahrungen wird wesentlich durch die verabreichten Mengen und Kombinationen bestimmter Substanzen (Drug), durch die innere Bereitschaft und persönliche Befindlichkeit (Set) und die äußeren Umstände (Setting) bestimmt.“
Als krönenden Abschluss der Vortragsreihe hatten die Teilnehmer_innen am Ende der Woche die Chance auf einen praktischen Bezug, als in Eisenberg und Greiz noch zwei Konzerte mit classless kulla und istafari lasterfahrer stattfanden und man bei bunten Lichtern und coolen Beats dem musikalischen Rausch frönen konnte.
Danke an alle die da waren! Demnächst wird es den Vortrag auch als downloadbare Video-Version geben und perspektivisch soll das umfassende Thema in einem Buch ausführlicher beleuchtet werden.
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