Anlässlich des 2. Prozesstages gegen die militante Thüringer Neonazi-Gruppierung „Knockout 51″ vor dem Oberlandesgericht Jena erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Beim ‚Knockout‘-Verfahren am Oberlandesgericht in Jena ist derzeit eine Schieflage zu beobachten. So konnten Teile der Öffentlichkeit nicht am Verfahren teilnehmen, obwohl sie wesentlich früher als eine größere Zahl von Neonazi-Unterstützern vor Ort waren. Diese setzten vor allem mit Einsatz verbaler und teils auch körperlicher Gewalt in Form von Bedrängen durch, dass sie komplett am Prozess teilnehmen und damit die Mehrheit der wenigen Plätze im Gericht einnehmen konnten. Dass darunter auch im ‚Knockout‘-Komplex beteiligte Personen waren, die teils ‚gesondert Verfolgte‘ sind, ist mindestens fragwürdig.“
Bereits gegen 6:15 Uhr am heutigen Morgen waren ca. zwanzig, insbesondere junge Menschen anwesend, die am Prozesstag teilnehmen wollten und im Eingangsbereich des OLG warteten. Kurz nach 7 Uhr kam eine größere Gruppe von ca. 15 Neonazis aus Eisenach und Dortmund, u.a. mit Verbindungen zum Hammerskin-Spektrum, aber auch zur militanten Neonazi-Kampfsport-Szene rund um „Kampf der Nibelungen“, die die jungen Menschen versuchten wegzudrängen und schließlich nur durch eine Reihe Polizeibeamter weiter davon abgehalten werden konnten. Mehr als eine Stunde beleidigten Neonazis die anderen Anwesenden und bedrohten sie teils: „mit deinem Kopf würde ich gerne mal Billard spielen“, ohne dass dies zu einem polizeilichen Vorgehen führte.
Als um 9 Uhr der Einlass ins Gericht begann wurde entschieden, nicht nach Ankunft am Gericht Personen einzulassen, sondern nacheinander jeweils zwei Neonazis und zwei Personen, die von der Justiz bzw. Polizei als „links“ eingeordnet wurden. Als Begründung wurde angegeben, dass „beide Seiten gleichermaßen“ am Prozess teilnehmen können sollten.
Im Gericht drängten sich die Neonazis erneut im Pulk zusammen. Obwohl Polizei und Justizbeamte mitbekamen, dass erneut nichtrechte Menschen weggeschoben wurden, ließen Justizbeamte schließlich alle 18 Neonazis in den Gerichtssaal. Für die wartenden ca. 40 nichtrechten Menschen verblieben 8 Plätze im Zuschauerbereich. Auch auf Ansprache und Hinweis an Justiz- und Polizeibeamte folgte keine Reaktion – außer, dass man sich beim Richter schriftlich beschweren könne.
„Während es Prozessbeobachter:innen erneut pauschal untersagt war, Stift und Papier mit in den Gerichtssaal zu nehmen, da dies vermeintlich genutzt werden könnte, um politische Botschaften zu verfassen und den Prozessablauf zu stören, konnten Neonazis mit eindeutigen, positiv auf den Nationalsozialismus Bezug nehmenden Tätowierungen oder auch eindeutiger Kleidung militanter Neonazi-Strukturen am Prozess teilnehmen. Sie konnten damit nicht nur ihre Ideologie, sondern ebenso ihre Unterstützung für die vier Angeklagten darstellen. Justiz und Polizei haben Neonazis und dazugehörige Strukturen, die mit ‚Knockout 51′ vernetzt sind, damit heute bei ihrer Machtdemonstration im Gericht unterstützt. Das Agieren ist auch deswegen besorgniserregend, da ich mich frage, ob es den Opfern von ‚Knockout 51′ unter dem Eindruck einer solchen von Neonazis dominierten Kulisse und dem Verhalten von Justiz möglich sein wird, frei und ungestört auszusagen, ohne massiv eingeschüchtert zu sein“, so die Abgeordnete.
König-Preuss nahm – wie beim ersten Prozesstag – heute ebenso als Beobachterin teil: „Sicherheitsbehörden und das Gericht sollten die bisherigen Abläufe und den Umgang mit der Öffentlichkeit kritisch auf den Prüfstand stellen und notwendige Maßnahmen dafür ergreifen, dass in den bereits terminierten 36 weiteren Prozessterminen am Verfahren Unbeteiligte, darunter auch Betroffene rechter Gewalt, die Möglichkeit haben, erstens überhaupt und zweitens ohne Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit dem Prozess folgen zu können. Ebenso sollte die sitzungspolizeiliche Verfügung entsprechend geprüft werden, um künftig zu vermeiden, dass entsprechende Tätowierungen und Kleidungsstücke der Neonazi-Szene offen im Gerichtssaal gezeigt werden. Auch die Saalöffentlichkeit sollte in puncto Mitschriften nicht beschränkt werden. Die Mitnahme von Stift und Papier war sogar im NSU-Prozess möglich. In Thüringen untersagt die Justiz hingegen eine ausführliche und für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Dokumentation in einem Prozess gegen militante Neonazis, die mehrfach Menschen, darunter auch einen Polizisten, gefährlich verletzten und planten, linke Menschen zu ermorden.“