Verfassungsschutzbericht 2020 – zu spät, zu verzerrt, zu ungeeignet

Zur Vorstellung des Thüringer Verfassungsschutzbericht 2020 erklären Sascha Bilay, innenpolitischer Sprecher, und Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Es hat 8 Jahre lange gedauert, bis das Amt für nun erstmalig in seinem Thüringer Jahresbericht über die im Kapitel ‚rechtsextreme Parteien‘ berichtet. Acht Jahre, in denen die AfD bundesweit über 1.000 hauptamtliche Funktionäre in staatlich bezahlten Posten für Mandatsträger und Mitarbeiter installieren konnte und mit dem besonders rechtsradikalen Flügel in Thüringen ein Epizentrum hat. Zivilgesellschaft, Medien, Wissenschaft und antifaschistischen Gruppen haben über Jahre über entsprechende Erkenntnisse zu deren menschenfeindlichen, rassistischen und völkischen Aktivitäten zusammengetragen und frühzeitig publiziert, insoweit ist der Mehrwert für mehrere Millionen Euro Jahresbudget fraglich, die Bezeichnung ‚Frühwarnsystem‘ ein Witz und leider setzen sich methodische Mängel im Jahresbericht fort, die mich besorgen.“

Unabhängig von der kritischen Position der Linken zu Geheimdiensten sei die Erwähnung der AfD im Kapitel Rechtsextremismus nur folgerichtig, wenn man sich schon an einer Bestandsaufnahme extrem rechter Gruppen im Freistaat versuche. Gleichwohl zeichne der Jahresbericht des Verfassungsschutzes ein Zerrbild und begebe sich damit auch in Widerspruch zu den Ausführungen des Innenministers in der Pressekonferenz am 22. November 2021 zur Vorstellung des Berichts, wo dieser zutreffend Rechtsextremismus und rechtsextreme als größte Gefahr charakterisierte. Bilay und König-Preuss weiter: „Wenn ein Anstieg auf über 1.312 rechte Straftaten im Berichtszeitraum registriert wird, einschließlich eines Anstieges rechter Gewalttaten, gleichzeitig linke Straftaten und Gewalttaten aber im Zeitraum sinken ist für mich absolut unverständlich warum über linke Straftaten seitenlange Berichte und Einzeldarstellungen erfolgen, während für den Bereich rechts eine solche Darstellung völlig fehlt. Eine Vielzahl rassistischer Übergriffe, ein Angriff gegen einen Pfarrer zum Volkstrauertag, Neonazi-Schmierereien, geschändete Gedenkstelen, Angriffe auf Abgeordnetenbüros, alleine 60 aktenkundige rechte Gewalttaten – im Bericht fehlt dazu jede Spur.“

Bilay kritisiert, dass Straftaten gegen Bürger- und Wahlkreisbüros einfach pauschal im Kapitel Links/Thüringer Autonome platziert worden, obwohl eine Reihe von Straftaten auf LINKE-Büros wie in Altenburg, Saalfeld und Pößneck von der Polizei als PMK-rechts eingestuft wurden, auch ein Delikt gegen ein Saalfelder CDU-Büro als PMK-rechts. Er bezeichnet es als Dilettantismus, dass sich derartige methodische Fehler über Jahre trotz öffentlicher Hinweise auch seitens der Linken fortsetzen. „Dieser Bericht erweckt den Eindruck, dass Straftaten und Gewalttaten in erster Linie im Phänomenbereich Links zu suchen sein und steht damit im Berichtszeitraum im Widerspruch zur PMK-Erhebung durch das Landeskriminalamt Thüringen. Das ist nicht nur handwerklich schlecht gemacht, sondern begünstigt ein fatales Zerrbild in der öffentlichen Wahrnehmung. Der Innenminister ist hier aufgefordert, dafür Sorge zutragen, die Revision des Berichtswesens, wie sie auch Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag vereinbart hatte, umzusetzen, damit dieser Bericht nicht in einer derart mangelhaften Qualität abgeliefert wird.“

König-Preuss ergänzt: „Weil der Jahresbericht 2020 erst 5 Wochen vor dem Jahr 2022 erscheint, gibt es auch eine Reihe analytischer Schwächen und viele Einschätzungen fallen eigentlich in das Berichtsjahr 2021, werden aber dem Vorjahr zugeordnet, das hat wenig mit einer transparenten, seriösen Darstellung zu tun und beeinträchtigt die Glaubwürdigkeit dieser amtlichen Information.

Vor allem widerspricht sich das Amt, wenn einerseits die Proteste im Kontext Corona und auch die extrem rechte Einflussnahme als Schwerpunkt für das Jahr 2020 eingeschätzt werden, gleichermaßen aber nur anderthalb Seiten dazu im Bericht zu finden sind. Stattdessen verschwendet man Ressourcen zur Diffamierung der Roten Hilfe. Viel sinnvoller wäre es gewesen, rechtzeitig Gefahrenprognosen an die Versammlungsbehörden zu liefern, die mit radikalen Coronaleugnerdemos im Berichtsjahr teils überfordert waren.“

König-Preuss weiter: „Dass der Innenminister in der Pressekonferenz der Roten Hilfe anlastet, dass sie ihren Klienten grundsätzlich rät, als Betroffene in einem Ermittlungsverfahren zunächst die Aussage zu verweigern und sich nicht selbst zu belasten, wirkt absurd angesichts der Tatsache, dass § 136 der Strafprozessordnung explizit erwähnt, dass mit Beginn der Vernehmung von Beschuldigten diese gesondert darauf hinzuweisen seien, dass es ihnen nach ‚dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen‘. Gerade die Inanspruchnahme der Rechte der Strafprozessordnung ist ein legitimes Instrument im demokratischen Rechtsstaat, hieraus einen Beleg für Linksextremismus zu konstruieren, verdeutlicht die Schieflage, in die man sich manövriert hat. Nach selber Logik müsste man gleichermaßen Tausende Rechtsanwälte unter Linksextremismus-Verdacht stellen, unsinnigerweise“, so König-Preuss abschließend.

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