Am 9. September 2000 wurde Enver Şimşek in Nürnberg an seinem Blumenstand niedergeschossen und verstarb zwei Tage später am 11. September im Krankenhaus. Enver Şimşek ist das erste Mordopfer des aus Jena stammenden Kerntrios des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Nach 11 Jahren rassistischer Ermittlungen im Umfeld der Familien der Opfer wurde am 4. November 2011 bekannt, dass eine rechtsterroristische Gruppierung zehn Menschen ermordet, mehrere Sprengstoffanschläge und Banküberfälle mit dutzenden teils lebensgefährlich Verletzten begangen hatte. Katharina König-Preuss spricht den Angehörigen auch im Namen der Fraktion DIE LINKE ihre Anteilnahme aus.
Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus der Fraktion DIE LINKE und Obfrau in beiden NSU-Untersuchungsausschüssen des Landes Thüringen, stellt anlässlich des 20. Jahrestages der Ermordung von Enver Şimşek fest: „Wenige der nach der Selbstenttarnung des NSU von hochrangigen Politiker*innen gegebenen Versprechungen wurden umgesetzt, nur Teile der Handlungsempfehlungen aus den NSU-Abschlussberichten in reale Politik übernommen. Immer wieder gibt es nach rassistischen, antisemitischen und neonazistischen Übergriffen und Morden bestenfalls politische Reden, denen kaum entsprechendes Handeln folgt, in Teilen aber auch pure Ignoranz. Politik, Verwaltung, Sicherheitsbehörden und Gesellschaft sollten nicht erst die nächsten Todesopfer abwarten, sondern jetzt präventiv aktiv werden.“
Leider sei 20 Jahre nach dem Mord an Enver Şimşek festzuhalten, dass rassistische, antisemitische, neonazistische und antifeministische Einstellungen und Handlungen innerhalb der Gesellschaft steigen. Die rechtsterroristischen Morde in Kassel, Halle und Hanau seien dabei nur die schockierende Spitze.
König-Preuss fordert sowohl auf Bundes- als auch Landesebene eine Agenda gegen Rassismus, Antisemitismus, Neonazismus: „Wenn Menschen aus extrem rechten Motiven heraus vermehrt bedroht und angegriffen werden, wenn demokratische Institutionen wie Parlamente ‚gestürmt‘ werden sollen und wenn über das Internet massiv Hass und Hetze befördert wird, können wir nicht beim Status quo bleiben. Demokratieprogramme müssen verstetigt und für langfristige Planungssicherheit gesetzlich fixiert werden. Opfer von Hasskampagnen im Netz benötigen Unterstützung und die Ressourcen im Bereich mobile Beratung, Opferberatung und Forschung müssen erhöht werden. Auch die Kompetenz im Umgang mit Hass im Netz gilt es zu steigern, im Bildungsbereich genauso wie bei Ermittlungsbehörden, vor allem aber gilt es, den Betroffenen der Anschläge, egal ob in Hanau oder in Halle, Gehör zu verschaffen.“
Beeindruckend ist für König-Preuss die Selbstermächtigung von Betroffenen, wie es bspw. in Hanau oder auch im derzeit laufenden Halle-Prozess deutlich wird. Die Beteiligung von Überlebenden des antisemitischen Anschlags am Prozess ist der aktuell intensivste Selbstermächtigungsprozess der jüdischen Community. „Diese Stimmen sind es, denen Politik folgen sollte, wenn es um Maßnahmen gegen Antisemitismus und Rassismus geht. Dies sollte eine Lehre aus dem NSU-Komplex sein.“