Rechtsstreit mit Neonazi-Shop-Betreiber wegen Beantwortung einer Kleinen Anfrage

thumb_btmg-neonazisZum Urteil des Oberverwaltungsgerichts Thüringen zur Nicht-Beantwortung einer Kleinen Anfrage erklärt Katharina König, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Drogenhandel in der Neonazi-Szene und insbesondere die Verwendung der dadurch erwirtschafteten Gelder ist keine Privatangelegenheit.“ Es müsse weiterhin möglich sein, das Handeln der Landesregierung einer parlamentarischen Kontrolle zu unterziehen. „Den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts betrachte ich daher mit Sorge und hoffe auf eine Entscheidung, die den Rechten und Aufgaben der ParlamentarierInnen Rechnung trägt“, betont Frau König. Im Juli 2012 hatte Frau König die Landesregierung mit einer Kleinen Anfrage zur Neonazi-Textilmodemarke „Ansgar Aryan“ und dem dazugehörigen Vertrieb aus Oberhof befragt, weil das Unternehmen zunehmend Bedeutung innerhalb der bundesdeutschen rechten Szene gewann. Auf die Frage, mit welchen Straftaten der neonazistische Unternehmer bislang auftauchte, listete die Landesregierung im Oktober 2012 in der Beantwortung sieben Einträge auf, darunter eine 4,5-jährige Haftstrafe wegen mehrerer schwerer Drogendelikte, kurz bevor er den Szenevertrieb aufbaute.

Artikel auf Haskala zum Ergebnis der 1. Anfrage
Artikel auf Haskala zum Ergebnis der 1. Anfrage (Oktober 2012) Link

Wegen einer Reihe anderer Drogenhandelsdelikte in der Neonazi-Szene stellte die Abgeordnete erneut eine Anfrage an die Landesregierung mit dem Titel „Drogenhandel in der Thüringer Neonazi-Szene“. DIE LINKE wollte damit zum einen allgemein Aufklärung erreichen, ob Neonazis durch Drogenhandel erwirtschaftete Gelder für ihre rechten Aktivitäten nutzen und in welcher Dimension Betäubungsmittel innerhalb der Thüringer rechten Szene eine Rolle spielen. Frau König weist darauf hin, dass Neonazis öffentlich immer wieder Drogenkonsum ablehnen und sogar zur Todesstrafe für Händler aufrufen. Außerdem soll mit der Anfrage geklärt werden, welche Art von Drogen der Oberhofer Neonazi-Shop Betreiber veräußert haben soll und welchen Umsatz er damit machte.

Gegen diese Detail-Nachfragen, nicht gegen die erste Anfrage mit der Veröffentlichung der Verurteilungen, hat der Unternehmer Beschwerde beim Gericht eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht Thüringen stimmte dem Eilantrag zu und untersagte dem Innenministerium vorläufig die Beantwortung der strittigen Fragen, bis die Angelegenheit im Hauptsacheverfahren bei Gericht geklärt wurde. Begründet wird dies mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das Gericht sei in der vorläufigen Einschätzung der Meinung, dass Privatpersonen nicht Objekt parlamentarischer Kontrolle seien.

„Bei der parlamentarischen Anfrage ist meines Erachtens nicht die Privatperson relevant, sondern seine Funktion innerhalb der Neonazi-Szene und die unternehmerische Tätigkeit für eine der bedeutendsten rechten Vertriebsstrukturen Deutschlands sowie die Frage, ob möglicherweise mit Betäubungsmitteln illegal erwirtschaftete Gelder auch in den Aufbau des Vertriebes geflossen sein könnten“, unterstreicht Frau König. So waren die Fragen auch nicht namentlich zu einer Person gestellt, sondern zum Betreiber eines auch vom Freistaat Thüringen als „rechtsextremistisch“ eingestuften Unternehmens.

Diverse weitere Fälle, bei denen Neonazis mit synthetischen Drogen Gelder erwirtschafteten, waren in der Begründung der Anfrage angefügt. Es ist also offenkundig, dass es sich hier nicht um einen „Einzelfall“ handelt.

Die Beantwortung der ersten Anfrage habe auch in der rechten Szene für Furore gesorgt. Der Betreiber von „Ansgar Aryan“ bemühte sich mit einer Stellungnahme, alle Vorwürfe aus dem Weg zu räumen. Er habe versichert, dass es sich um Unwahrheiten handeln würde, man habe nie mit Drogen zu tun gehabt. Möglicherweise um das Szeneprojekt nicht zu gefährden, sei kurze Zeit später auch ein Austausch der Führungsspitze des Geschäftes erfolgt. Der bisherige Betreiber sei formal im Impressum durch einen bayrischen NPD-Funktionär ersetzt worden, habe fortan aber weiterhin bei Fotoshootings für die Szene-Modemarke posiert.

Wie aus der Pressemeldung des OVG hervorgeht, hat der Betreiber offenbar Angst, dass die Informationen bzw. Antworten auf die Fragen zu den Drogendelikten über ihn an die Öffentlichkeit und damit auch an seine eigenen Kameraden bzw. Kunden geraten. Gegenüber dem Gericht machte er eine dadurch entstehende „persönlichen Gefährdung“ als Hinderungsgrund geltend.

ovg

(Auszug aus der Pressemeldung des OVG)

Katharina König weist darauf hin, dass die Modemarke weiterhin neonazistische Projekte sponsert. Der aktuelle Geschäftsführer habe erst im Oktober 2013 in Bayern ein Neonazi-Konzert mit mehr als 1.000 Anhängern organisiert und plane für Mai 2014 ein erneutes Großkonzert.

Im Internet versuche er derzeit, neue Kunden aus der rechten Szene zu akquirieren und vergebe an seine Käufer Quarzsand-Handschuhe, welche zum Teil auch bei der Polizei als Ausrüstung verboten sind, weil sie schwere Verletzungen hervorrufen können. Bedingung sei ein Mindestbestellwert in Höhe von 88 Euro, der bekannteste Code der rechten Szene, der angelehnt an die achten Buchstaben im Alphabet „Heil Hitler“ bedeutet. „Wir werden das Thema Drogenhandel und Neonazi-Szene parlamentarisch weiter verfolgen“, so König abschließend.

Downloads als PDF:

Kleine Anfrage „Drogenhandel in der Thüringer Neonazi-Szene“ Nr. 2887, 2013 (noch unbeantwortet)

Pressemitteilung des OVG zur Entscheidung:

http://www.datev.de/portal/ShowPage.do?pid=dpi&nid=160588

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben