Die linksjugend Sachsen hat zwischenzeitlich einen Augenzeigenbericht des Überfalls von ca 150 Nazis am 19. Februar in Dresden auf die „Praxis“ veröffentlicht, welchen wir hier ebenfalls dokumentieren möchten:
Augenzeugebericht über den Naziangriff am 19.Februar in Dresden
Am Nachmittag griffen bis zu 150 Nazis mehrere Wohnhäuser in Dresden Löbtau an. Darunter auch das alternative Wohnprojekt „Praxis“. Die Informierte und vor Ort stehende Polizei hat während und nach dem Angriff der Nazis den Bewohnern nicht geholfen. Dieser Skandal führte in den Medien jedoch kaum zu Beachtung.
„Liebe Leute,
2 Tage ist es nun her, dass Dresdens Zentrum in eine Art Ausnahmezustand versetzt wurde. Die Normalität kehrt viel schneller wieder ein als erwartet und bald werden die Ereignisse aufs Neue in Vergessenheit geraten, bis es nächstes Jahr im Februar wieder losgeht.
Leider wurde ein Vorfall in der Berichterstattung außen vor gelassen. Langsam gibt es Beiträge dazu, ob diese jedoch noch Mal deutschlandweit zu einem Aufsehen führen, bezweifle ich, obwohl ich gleichzeitig darauf hoffe. Deswegen wende ich mich an dieser Stelle an euch alle in der Hoffnung, dass ihr diese Geschichte ebenfalls weiterverbeitet…
Einige von euch wissen ja wo ich wohne: in Dresden Löbtau. Am Samstag, den 19.02.2011 gegen 13 Uhr war ich noch Zuhause und wollte mich gerade für die Demo fertig machen, als ich und meine Mitbewohner leise Schreie näher kommen hörten. Keiner von uns wusste was das zu bedeuten hatte, wir gingen ans Fenster.
Wir sahen einen Polizeiwagen langsam in der Mitte unserer Straße Richtung Kreuzung Wernerstraße/ Columbusstraße fahren. Dahinter eine Gruppe von mindestens 150 schwarzgekleiteten jungen Menschen (vorwiegend Männer), die ein paar rot-weiß-schwarze Fahnen schwenkten. Dahinter fuhren ebenfalls zwei Polizeiwagen langsam hinter her. Diese Wagen begleiteten sozusagen diesen Umzug.
Ich fühlte mich an den 13. Februar dieses Jahres erinnert, wo Umzüge in diesem Ausmaß stets von Massen von Polizisten entweder begleitet oder gleich eingekesselt und teilweise festgenommen wurden. Ich verstand schon in diesem Moment nicht wie sich diese große Gruppe so ungehintert und mit Polizeibegleitung bewegen konnte. Auch über den Fakt wo diese Gruppe überhaupt herkam, kann ich nur Vermutungen anstellen.
Vor unserem Haus hielten die beiden Polizeiwagen, die den Zug folgten, plötzlich an. Der vordere Polizeiwagen hielt auf der Kreuzung Wernerstraße/ Columbusstraße und leitete den Verkehr an unserer Straße vorbei. Die Schreie wurden aggressiver und ein Teil der Gruppe begann das Haus Wernerstraße 11 anzugreifen, bei diesem Haus handelt es sich um ein Wohnhaus, in der neben jungen Leuten auch eine alte Dame und eine kinderreiche Familie leben. Gleichzeitig wurde die Wernerstr. 9 angegriffen, auch ein Wohnhaus (in das die Nazis anscheinend auch eindrangen, wie auf einem Video zu erkennen ist).
Dann sammelte sich die Gruppe und fing an wie verrückt auf das Haus der Columbusstr. 9 (wo sich die „Praxis“ im Erdgeschoss befindet) loszugehen. Es wurden auf alle 3 Häuser Steine geworfen und mit allen Mitteln die Fenster eingeschlagen. Die Atmosphäre war aggresiv und gewalterfüllt. Wir hatten Angst, obwohl wir soweit von der eigentlichen Angriffstelle entfernt waren. Ein Nachbar filmte aus unserem Haus einen Teil des Vorfalls, wie die Häuser der Wernerstraße 11 und 9 angegriffen wurden, sieht man dort leider nicht, dafür bekommt man einen Eindruck von der Gruppe, die am Ende ihres Gewaltausbruchs bestimmt rief „Wir kriegen euch alle!“.
Beitrag von Spiegel online mit (Nicht-)Stellungnahme der Polizei bei Pressekonferenz
Nach einer Weile setzten sich Polizeiwagen und Gruppe auf der Löbtauer Straße Richtung Zentrum wieder in Bewegung.
Oft wird bei der Berichterstattung leider vergessen, dass die Columbusstr. 9 nicht nur ein linkes Wohnprojekt ist, auch dort leben sehr friedliche Menschen & Familien, die mit den Vorgängen im Erdgeschoss nur bedingt zu tun haben.
Beitrag der Sächsischen Zeitung zu den Vorfällen
Wir wussten alle nicht so richtig was wir tun sollten. Um rauszugehen waren wir zu wenig. Die Polizei war bereits da, schritt jedoch nicht ein. Der Angriff dauerte etwa 10 min. Später war ich in Löbtau, Plauen und in der Südvorstadt (alles Stadtteile in unserer unmittelbaren Nähe) unterwegs und stieß dort auf ein immenses Polizeiaufgebot. Keiner dieser Einsatzkräfte kam zu uns. Auch nach dem Angriff kam kein einziger Polizist und erkundigte sich über den Zustand der erschütterten Bewohner.
Obwohl Polizei da war, entschied ich mich den Notruf anzurufen, da einfach niemand zur Hilfe kam, hier der ungefähre kurze Dialog an der Telefonleitung:
„Notrufzentrale, Guten Tag.“
„Guten Tag, mein Name ist M. und zwar beobachte ich hier gerade einen Angriff auf der Wernerstraße in Dresden.“
„Ja, davon wissen wir bereits. Gehören Sie zu den Betroffenen.“
„Nein, aber schicken Sie denn noch welche vorbei?“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, dafür ist jemand anders zuständig.“
-Ende des Gesprächs-
Sie schickten niemanden vorbei.
So mussten sich die Anwohner selber helfen und die Fenster mit Holzplatten sichern.
Keiner wusste ob die Gruppe wieder kommen würde. Ich unterhielt mich noch mit einer jungen Frau in meinem Alter, die einen leichten Schock von dem Angriff auf ihr Haus erlitten hatte.
Auch jetzt bleibt weiterhin unklar wie mit dieser Straftat weiter verfahren wird und ob die Angreifer überhaupt noch dingfest gemacht werden, auch ob das Verhalten der Polizei Folgen nach sich zieht bleibt offen, auf der offiziellen Seite der Polizei kann ich nach wie vor keine Stellungnahme zu dieser Angelegenheit finden, dagegen werden die Gegendemonstraten indirekt als „die Gewalttäter“ bezeichnet.
Homepage der Polizeidirektion Dresden
Dresdner Neuste Nachrichten (Geschehnisse werden hier nicht erwähnt)
Dieser Vorfall darf nicht verschwiegen werden !!! Verbreitet diese Nachricht und tragt dazu bei, dass sich unsere „Sichheitskräfte“ soetwas nicht wieder erlauben können! Dieser Angriff muss Konsequenzen haben: für die gewaltätigen Angreifer genauso wie für die untätige Polizei!
Ich habe so eine Situation noch nie erlebt und wusste einfach nicht was ich tun sollte. Inzwischen weiß ich es: Medien sofort informieren und die Namen der beteiligten Polizisten vermerken. Ich hoffe ich muss dieses Wissen nie zur Anwendung bringen.
Danke für eure Zeit“