Und es stellt sich die Frage, wovor die CDU eigentlich Angst hat
Obwohl nicht zuletzt die LINKE bzw. PDS von Anfang an vehement für eine Herabsetzung des Kommunalwahlalters für Jugendliche gekämpft hatte und jetzt die GRÜNEN im Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hatten, scheiterten alle Bemühungen insbesondere an der ablehnenden CDU-Haltung und dem Einknicken der SPD vor dem Koalitionspartner. Noch am 6. Oktober hatten die GRÜNEN vor dem Landtag zu einer symbolischen Probewahl für Jugendliche – dabei auch VertreterInnen der Linksfraktion – eingeladen.
Katharina König, Sprecherin für Jugendpolitik der Linksfraktion, kritisierte nach der Debatte am 7. Oktober im Landtag: „Eine Chance zur Bereicherung der politischen Kultur in Thüringen wurde heute vertan. Es ist erschreckend, mit welchen Argumenten die CDU-Fraktion Jugendlichen ab 16 das Wählen untersagt. Anstelle Partizipation zu ermöglichen und ein gesellschaftliches Signal zu senden, wird Jugendlichen mit fadenscheinigen und unsachlichen Argumenten die politische Reife abgesprochen.“
Als ebenso erschreckend und zynisch beurteilte die LINKE Abgeordnete das ablehnende Stimmverhalten der SPD-Fraktion, welche Sympathie bekundet und gleichzeitig gegen den Antrag stimmt. Katharina König betonte, dass sich die Linksfraktion weiterhin für die Absenkung des Wahlalters – nicht nur auf kommunaler Ebene – einsetzen wird, denn auch die Ergebnisse und Forderungen der neuen SHELL-Jugendstudie sind „für uns keine Wortblase, sondern Aufforderung zum politischen Handeln“.
Aus dem Plenarprotokoll der Debatte am 7. Oktober:
Katharina König, DIE LINKE:
(…) Die Shell-Studie hatten wir gestern. Ich muss ehrlich sagen, ich hatte gehofft, dass die CDU-Fraktion diesen ihren Antrag zur Aktuellen Stunde ernst nimmt, und zwar so ernst nimmt, dass sie heute auch ein entsprechendes Stimmverhalten an den Tag legt, denn eine allgemeine Absenkung des Mindestwahlalters wäre ein gesellschaftliches Signal, dass junge Menschen zur Wählerschaft und damit zu der mitbestimmenden aktiven Population einer demokratischen Gesellschaft gezählt werden. Sie lehnen dies ab und die SPD windet sich. Eines Ihrer eigenen Wahlthemen, eine Ihrer eigenen Forderungen, denn auch Sie wollen – früher jedenfalls einmal – die Absenkung des Wahlalters auf 16. Sie haben schlicht und einfach vergessen, es mit in die Koalitionsverhandlungen aufzunehmen oder, sie haben es geopfert. Gut ist keiner der beiden Gründe.
Jetzt stecken Sie in der Zwickmühle, jetzt erklären Sie Ihr Abstimmungsverhalten und eigentlich stehen Sie ja dem Antrag positiv gegenüber. Wenn dem so wäre, dann würde ich zumindest Applaus – auch bei anderen Abgeordneten, die nicht aus Ihrer Fraktion sind und die sich für diesen Antrag aussprechen – erwarten. Das war bisher in Ihren Reihen nicht möglich.
(Zwischenruf Uwe Höhn, SPD: Da müssen Sie aber auch anders reden.)
Am Anfang steht immer die Wahl. Sie haben sich entschieden für eine Koalition, in der Partizipation von Jugendlichen und eine wahre Politik für Jugendliche eine untergeordnete Rolle spielt. So ist es jedenfalls, wenn Sie die Wahlalterherabsenkung auf 16 ablehnen, welches Sie heute aller Wahrscheinlichkeit nach machen. Nichts desto trotz gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die CDU-Fraktion von gestern auf heute möglicherweise die Shell-Studie nochmals in die Hand genommen hat, möglicherweise sich nochmals wissenschaftliche Erkenntnisse zu Rate gezogen hat und vielleicht dann doch ihr Abstimmungsverhalten ändert. Ich habe im Innenausschuss die CDU-Fraktion gefragt: Wovor haben Sie eigentlich Angst?
(Zwischenruf Volker Emde, CDU: Wir haben vor gar nichts Angst.)
Diese Frage haben Sie bis heute nicht beantwortet. Die Frage stelle ich Ihnen wieder. Wovor haben Sie eigentlich Angst? Was macht Ihnen Angst, wenn 16-jährige oder auch 17-jährige auf kommunaler Ebene wählen können? Macht Ihnen Angst, dass Jugendliche sich Links der Mitte positionieren, zumindest die Mehrheit? Macht Ihnen Angst, dass Sie Ihre Politik unter kritischen Augen von Jugendlichen beäugen lassen müssten? Wenn Sie ein demokratisches Verständnis hätten, so wie es die Shell-Studie beispielsweise explizit argumentiert, dann würden Sie heute hier zustimmen und es wäre eine Bereicherung für uns alle. Es wäre eine Bereicherung, wenn wir Jugendlichen in Thüringen mitteilen könnten, dass wir ihre Ideen, ihre politischen Vorstellungen, ihre Wünsche nicht nur hören wollen, sondern auch zumindest zum Teil so wahrnehmen wollen, dass wir sie umsetzen. Ich hoffe, dass es bei der CDU-Fraktion vielleicht doch einen oder zwei gibt, oder drei oder vier, die sich möglicherweise einfach nachher hier aus dem Saal entfernen, sodass die Mehrheiten ganz klar sind, nämlich für Jugendliche in Thüringen.