Tagesordnungspunkt 42e) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema:
„16. Shell-Jugendstudie – Auswertung mit Blick auf die junge Generation Thüringens“
Abgeordnete König, DIE LINKE:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, Frau Meißner, wunderbar waren da aus den verschiedensten Pressemitteilungen einzelne Zitate herausgegriffen und zu einer Rede zusammengestellt. Darüber hinaus wurde einiges vergessen. Unter anderem erwähnten Sie, dass der Optimismus der Jugendlichen steigt. Ja, das stimmt. Das ist so festzustellen im Vergleich zur letzten Shell-Studie um 9 Prozent, das vergaßen Sie. Was Sie nicht vergaßen, was ich gut finde, dass eben gerade bei den sozial schwächeren Jugendlichen aus schwächeren Familien diese Zufriedenheit und dieser Optimismus überhaupt gar nicht festzustellen ist, jedenfalls bei der Mehrheit, bei 67 Prozent nicht.
Fünf Minuten Redezeit, fünf Minuten Zeit um eine über Jahre erstellte Studie zu behandeln und daraus Konsequenzen oder Auswertungen für Thüringen abzuleiten, halte ich fast für beschämend. Insbesondere, weil ich schon denke, dass in der Shell-Studie einiges an Punkten aufgezeigt wird, die auch hier in Thüringen für uns eine Rolle spielen sollten. Und zwar mehr als nur das, was in Pressemitteilungen diverser Bundestagsfraktionen oder auch anderer, sich zum Thema Jugendpolitik äußernder Organisationen steht. Das Erste, Sie hatten erwähnt, die Jugend politisiert sich wieder, das ist richtig, das ist gut, ich möchte aber auch erwähnen, die Mehrheit der Jugend politisiert sich links der Mitte und das macht mich froh.
(Beifall DIE LINKE)
Als Zweites, die Jugend kritisiert Kriege, Armut, Klimawandel, Arbeitslosigkeit, Einsätze der Bundeswehr und Ähnliches mehr, über 60 Prozent. Auch das finde ich gut und da ist politisches Engagement von Jugendlichen feststellbar. Dass Bildung die Voraussetzung ist für alles Weitere, insbesondere für die Teilhabe an der Gesellschaft, für die Partizipation das stimmt, das steht so drin, die Frage ist nur: Wie reagieren Sie als eine der regierenden Fraktionen hier im Thüringer Landtag darauf?
Welche Konsequenzen ziehen Sie und inwieweit sind Ihre bisher angegangenen Themen zur Bildungspolitik ein wirklich eindeutiges Zeichen, um darauf zu reagieren?
Zuletz,t und das freut mich ja, dass die CDU dieses Thema eingebracht hat in Form einer Aktuellen Stunde. Sie sprechen von Partizipation, sie loben die Shell-Studie – haben Sie ja hier vorn gemacht -, Sie werten die Shell-Studie, aber scheinbar haben Sie sie nicht gelesen. Wenn Sie es doch gemacht haben, würde es mich sehr freuen, dass ich dann entsprechend Ihrer Aktuellen Stunde heute auch logische Konsequenz im Handeln morgen, wenn es um das Thema „Wählen mit 16“ geht, feststellen kann.
(Beifall DIE LINKE)
Ich zitiere aus der Shell-Studie, Seite 356: „Ein durchschnittlicher 16-jähriger, vielleicht auch schon ein durchschnittlicher 14-jähriger Jugendlicher ist heute ohne Weiteres in der Lage, die intellektuelle und soziale Urteilsfähigkeit aufzubringen, die für einen Wahlakt bei Europa-, Bundes-, Landtags- und Kommunalwahlen erforderlicht ist.“
Wenn die CDU heute hier als Thema der Aktuellen Stunde die Shell-Studie einbringt und Konsequenzen, Wertungen und Auswertung für Thüringen daraus fordert, dann bedeutet das – jedenfalls wenn ich die Shell-Studie ernst nehme -, dass Sie morgen dem Antrag der GRÜNEN, genau wie wir das als LINKE machen werden, zum Thema Absenkung des Wahlalters auf 16 zustimmen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Alternative, wie gesagt, Sie haben die Shell-Studie nicht gelesen.
(Unruhe CDU)
Als Letztes: Interessant sind ja bei der Shell-Studie die Interviews, die mit über 2.000 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 25 geführt werden, und auch die Erkenntnisse, die sich daraus ableiten lassen. Ich möchte aus einem dieser Interviews zitieren, eine 21-jährige Tochter vietnamesischer Eltern mit Namen Nhung: „Wir leben sowieso in einer Zeit, wo viele Menschen sich fragen, ob das System, mit dem wir leben und die ganze Gesellschaft, ob das überhaupt okay so ist oder ob man das alles akzeptieren muss, was da ist. Ob es okay ist, dass immer mehr Menschen arm sind, und ob jetzt in der Finanzkrise auch der Kapitalismus das ist, was richtig ist. Ich habe es immer beigebracht bekommen, der Kapitalismus ist doch gut, uns hier in Deutschland geht es doch allen gut. Und jetzt merken wir plötzlich, dass irgendwie alles zusammenbricht. Und den Menschen ist aufgefallen, das System wird irgendwann zugrunde gehen.“
Ich frage Sie, welche Wertungen, welche Auswertungen für Thüringen, aber vielleicht auch generell für Deutschland, ziehen Sie aus solchen Interviews und aus solchen Zitaten. Ich bin gespannt auf Ihre Antwort, freue mich auf Ihr positives Abstimmungsverhalten morgen, sofern Sie denn die Shell-Studie ernst nehmen und bedanke mich.
(Beifall DIE LINKE)