Thüringer Nazi-Quartiere nach Sprengstoff durchsucht
Bei einer Großrazzia sucht die Polizei seit Mittwoch früh Sprengstoff in Neonazi-Quartieren in Thüringen, Sachsen und Franken. Seit 6 Uhr laufen insgesamt 16 Razzien in den Bereichen der Polizeidirektionen Saalfeld, Jena, Gotha und Suhl sowie in Südwest Sachsen und in Mittel- und Oberfranken.
Saalfeld. Nach Informationen der Polizeidirektion Saalfeld wird den Verdächtigen aus der rechtsextremen Szene vorgeworfen, im September unerlaubt Sprengstoff beschafft und nach Jena transportiert zu haben. Die Fahnder sollen mit Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichtes Gera unter anderem auch das Schützenhaus in Pößneck sowie das so genannte „Braune Haus“ in Jena durchsucht haben, beide bekannte Treffpunkte der rechtsextremen Szene.
Im Einzelnen sei nach Sprengvorrichtungen oder Gegenständen, die sich zu deren Bau eignen, sowie nach Computertechnik und Speichermedien gesucht worden, auf denen sich Anleitungen zum Bau derartiger Sprengkörper befinden könnten. Die Fahnder stellten mehrere Computer, Handys, und CD’s sicher. Sprengstoffverdächtige Gegenstände seien nicht gefunden worden, hieß es.
Bereits Mitte September hatte die Polizei das „Braune Haus“ in Jena durchsucht. Staatsschützer hatten Hinweise, dass Neonazis einen Anschlag auf die Linke-Landtagsabgeordnete Katharina König geplant haben könnten. Damals waren kurzzeitig vier Neonazis verhaftet worden. Die Staatsanwaltschaft Gera bestätigte später, dass sie in der Sache Ermittlungen gegen zwei Männer und eine Frau aus der Neonazi-Szene führt.
Der geplante Anschlag von damals ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft vereitelt worden. Die Ermittler vermuten, dass es sich um einen Racheakt für gewalttätige Übergriffe von Linksextremisten auf Anhänger der rechtsextremen Szene in Jena und Pößneck gehandelt haben könnte. Seither hatten sie einige der Verdächtigen überwacht.
An dem Abend vor der Durchsuchung Mitte September in Jena waren die beiden verdächtigen Männer mit weiteren Angehörigen der rechtsextremen Szene von einem Kameradschaftsabend in Westsachsen gekommen, auf dem nach Angaben des MDR der Chef der militanten rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann, Karl-Heinz Hoffmann, aufgetreten war.
Auf dem Rückweg erfolgte damals die vorläufige Festnahmen der Verdächtigen, weil bei einem belauschten Telefongespräch die Worte „C4“ und „Gebrauchsanleitung“ gefallen waren. Die Fahnder vermuteten dass es sich dabei um den gleichnamigen Plastiksprengstoff gehandelt haben könnte. Bei der Durchsuchung wurde aber kein Sprengstoff gefunden. Allerdings hatten die Spürhunde der Polizei mehrfach angeschlagen.
Die Auswertung des am Mittwoch sichergestellten Materials hat die Kriminalpolizei in Saalfeld übernommen. Eine Sonderkommission „Feuerball“ führt dort bereits seit längerem die Ermittlungen in dem brisanten Fall. Wann konkrete Ergebnisse vorliegen, wollte noch niemand der Ermittler sagen.
Kai Mudra / 06.10.10 / tag