Von Georg Grünewald
Weil sie die DDR als Unrechtsstaat bezeichnet, hat die Linke-Abgeordnete Katharina König – Jahrgang 1978 – Ärger mit Parteisenioren. Die fordern Konsequenzen von der Parteileitung.
Saalfeld/Erfurt – Es begann mit einem unspektakulären Satz im Landtag. „Die DDR war ein Unrechtsstaat – dafür bedarf es für mich keiner Definition“, so die Jugendpolitische Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion Katharina König. „Beifall Bündnis 90/Grüne“ meldet das Landtagsprotokoll.
Bei der älteren Parteibasis der Linken blieb er jedoch aus. Im Gegenteil. König bekam böse Briefe und musste sich in einer Diskussionsrunde verteidigen.
Besonders „empört und erschreckt“, zeigten sich Genossen der Basisgruppe „Montagstreff“ Bad Blankenburg. Sie könnten solche „Entgleisungen“ nicht hinnehmen, schreiben Königs „im Faschismus herangewachsene“ Parteifreunde. „Politisch standhafte, überzeugte parteiliche Kämpfer“ brauche die Partei und „keine gespaltenen Persönlichkeiten, politische Irrläufer oder egozentrische Karrieristen“, wettern sie in einem offenen Brief an Königs Fraktionschef Bodo Ramelow.
„Politisch disqualifiziert“ habe sich König und mit ihrem „Kniefall vor dem Zeitgeist charakterlich als ungeeignet“ erwiesen, die Ziele der Partei zu vertreten. Bei solcher „historischen Verblendung“ sei sie nicht mehr wählbar, meinen die vier Briefunterzeichner und fordern König auf, ihr Mandat niederzulegen oder sich zu korrigieren.
In welchem Staat gebe es Unrecht, Dogmatismus und Unterdrückung nicht, fragen die Parteisenioren und erteilen König Nachhilfe in Sachen Geschichte. Etwa zu den „Errungenschaften“, wie sie „in der DDR schon verwirklicht waren“ und wie sie „durch die konterrevolutionäre Wende verloren gingen“. Der Vergleich der DDR mit der BRD fällt bei den Bad Blankenburger Parteisenioren eindeutig aus. Zuungunsten der BRD. Denn dort geschehe „täglich tausendmal mehr Unrecht als in 40 Jahren DDR-Geschichte“, betonen sie. Fett haben sie die Passage gedruckt, damit König sie nicht übersieht.
„Wir erwarten eine Rückmeldung über die Konsequenzen der Parteileitung“ und der Landtagsfraktion der Linken, schließen die Montagstreffler ihren offenen Brief „zu diesem Geschehen“, womit sie Königs Unrechtstaats-Äußerung meinen.
Aber die Konsequenz war bisher nur eine Diskussionsveranstaltung im Saalfelder Wahlkreisbüro Königs, zu der die Abgeordnete eingeladen hatte. Und die ging nach Einschätzung des Chefredakteurs des Linke-Kreisblattes „Anstoß“ Götz Kölbl am Thema Unrechtsstaat vorbei.
Deutliche Antwort
Hauptinhalt sei dagegen „der Vergleich gesellschaftlicher, kultureller und sozialer Errungenschaften mit den Verhältnissen in der BRD und dem heutigen Deutschland“, gewesen, berichtet Kölbl. Dabei seien die „heutigen Verhältnisse natürlich schlecht“ weggekommen.
Den Bad Blankenburger Parteisenioren dürfte es gefallen haben. Die Antwort Ramelows wohl weniger. Offene Briefe, die im Kern sagen, jemand solle eine bestimmte Sichtweise anerkennen, könne er nicht gutheißen, so Ramelow. Es sei die „einzige Konsequenz“, die er ziehen könne. „Wer bestreitet, dass es in der DDR schreiendes Unrecht gab, hat von der DDR nichts mitbekommen“, betont der Linke-Fraktionschef, der den Begriff Unrechtsstaat aber nicht verwendet. Aber „jetzt den Begriff generell zum verbotenen Begriff zu machen, hieße im Sinne von George Orwell Denkverbot zu erlassen“, schreibt er den Protestlern. Auch das lehne er ab.
Für König ist die Aufregung nur ein Grund mehr, das Thema DDR weiter zu diskutieren. Die vier Montagstreffler seien aber „definitiv nicht die Mehrheit der Partei“, ist sie überzeugt. Die vergleichsweise junge Abgeordnete hat aber auch tatsächlich etwas gelernt bei der Diskussion: „Ich brauche nur Unrechtsstaat zu sagen und schon ist die Bude voll“, verkündete König auf ihrer Seite des Internet-Nachrichtendienstes Twitter. Aber sie werde den Empfehlungen nicht nachkommen, versichert sie. Weder der Forderung, zurückzutreten, noch der, das Wort Unrechtsstaat nicht mehr zu verwenden.
Quelle: Freies Wort vom 18.09.2010