Anlässlich der heute vorgestellten Jahresstatistik der Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt „ezra“ erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus und Antirassismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Die verzeichnete Zunahme rassistischer Angriffe bereitet enorme Sorge und ist Ergebnis der seit längerem zu beobachtenden zunehmenden rassistischen Positionen und Debatten in Thüringen. Menschen werden wegen ihrer Hautfarbe, Herkunft oder Religion in sozialen Medien, im öffentlichen Raum und im Parlament abgewertet, oft ohne deutlichen Widerspruch. Diese menschenverachtenden Tiraden dienen Täterinnen und Tätern dann oft als Legitimation für die Gewaltanwendung. Hier ist es wichtig, als Gesellschaft, aber auch als Staat, einschließlich der Justiz, ein klares Stopp-Signal zu senden.“
Das Strafgesetzbuch kennt mit dem §46 Abs. 2 sogar eine Möglichkeit, die ausdrücklich vorsieht, dass bei angeklagten Straftaten im Rahmen der Urteilsfindung rassistische Motivationen strafverschärfend berücksichtigt werden können. „In der Praxis ist dieser Hebel nur wenig bekannt und verstaubt oft im Instrumentenkasten der Justiz. Umso sinnvoller wäre es, den Umgang mit diesem Instrument in Thüringen zu evaluieren und stärker in die Aus- und Fortbildungsangebote von Richter:innen und Staatsanwält:innen einfließen zu lassen“, so König-Preuss.
Ezra hatte für 2021 119 rechte, rassistische und antisemitische Gewaltstraftaten in Thüringen registriert, bei denen mindestens 177 Menschen direkt betroffen waren. Zwei Drittel der Fälle wiesen als Tatmotivation Rassismus auf. König-Preuss macht wie die Opferberatung darauf aufmerksam, dass die veröffentlichten Daten nur das Hellfeld jener Fälle darstellen, die der Beratungsstelle bekannt geworden sind, auch weil Betroffene überhaupt den Weg und den Mut fanden, sich anzuvertrauen und darüber zu reden.
König-Preuss weiter: „Rassistische Anfeindungen und Übergriffe haben sich in Thüringen leider verstetigt. Allein die bekanntgewordenen Fälle machen deutlich, dass es vor allem in den großen Städten Erfurt und Jena eine hohe Zahl von Angriffen gibt. Durch die Dynamik der Corona-Proteste in den ersten Monaten des Jahres 2022 dürfte das Bedrohungspotential in anderen Regionen, gerade in Ostthüringen, nicht geringer ausfallen. Entsprechende Anfeindungen wurden über Wochen auch unserer Fraktion berichtet. Gerade diese Proteste und damit verbundenen Chatgruppen sind Tummelplatz für Verschwörungserzählung, rassistische Stereotype und antisemitische Legenden. Umso wichtiger wäre es, dass die Sicherheitsbehörden frühzeitig intervenieren und das nötige Stopp-Signal bei Rechtsverstößen auch aussenden, damit sich dort nicht der zumindest teilweise entstandene Eindruck verfestigt, man genieße unter den Augen des Rechtstaates Narrenfreiheit.“
Die Abgeordnete erneuert zudem ihre Forderung an die Landesregierung, die Maßnahmenempfehlungen der Enquetekommission Rassismus endlich landesweit umzusetzen und damit deutlich gegen den zunehmenden Rassismus vorzugehen. „Nur so wird es langfristig gelingen, auch gegen rassistisches, ausgrenzendes Denken in allen Lebensbereichen anzukommen, das die Grundlage solcher Taten darstellt“, so König-Preuss.