Anlässlich des heutigen zweiten Verhandlungstages im Ballstädt-Prozess erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Landtag: „Ein martialischer Angriff auf friedliche Menschen, das Eintreten auf Schlafende, schwere Verletzungen, der Boden blutüberströmt – das hat auf lange Zeit ein Klima der Angst geschürt. Sieben Jahre später sollen Täter offensichtlich mit Bewährungsstrafen davonkommen, obwohl zunächst Haftstrafen avisiert waren. Es darf kein ‘weiter so‘ geben, der Gewaltakt in Ballstädt stellt nur die Spitze eines Eisberges dar, die nun einen Wendepunkt markieren sollte: Der Thüringer Justizminister muss handeln und Sorge dafür tragen, dass sich ein derartiges Versagen des Rechtsstaates nie wieder wiederholt, dafür sind vier konkrete Schritte nötig.“
Die Abgeordnete appelliert an den Minister: „Es braucht erstens unabhängig vom laufenden Verfahren im Einzelfall eine allgemeine Anweisung des Justizministeriums bzw. eine Verwaltungsvorschrift, dass keine schmutzigen Deals von Staatsanwaltschaften mit Neonazi-Gewalttätern stattfinden und Absprachen nicht ohne explizites Einverständnis von Nebenkläger_innen als Verfahrensbeteiligte getroffen werden. Zweitens sollte sich der Justizminister über Thüringen hinaus dafür in der Justizministerkonferenz einsetzen, diese Lücke in den Richtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren (RiStBV) bundesweit zu schließen. Drittens braucht es bei solch gravierenden Hassverbrechen verbesserte Verfahrensabläufe. Es darf keine jahrelange Verschleppung mehr geben. Hierzu ist eine hohe Priorisierung in der Abarbeitung solcher Delikte nötig. Und viertens brauchen wir veränderte Strukturen: eine auf Hasskriminalität spezialisierte Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Thüringen, wie es das Gerichtsverfahrensgesetz möglich macht, und entsprechende organisatorische Maßnahmen, dass mit diesen Verfahren befasste Kammern bei Gericht auch arbeitsfähig sind, Prozesse ohne Verzögerungen mit der gebotenen Sorgfalt zu führen“.
König-Preuss, die den aktuellen Prozess in der Erfurter Messe begleitet, erklärt weiter: „Der Sinn des Rechtsstaates und des Strafrechts besteht gerade auch darin, dass solche Taten bestraft, Täter und Nachahmer von der Begehung weiterer Taten abgeschreckt werden und das Vertrauen der Gesellschaft in die Durchsetzungskraft des Rechtssystems gestärkt wird. All diese Grundsätze werden beispielhaft im Ballstädt-Verfahren völlig ad absurdum geführt und über Bord geworfen. Neonazis werden ermutigt, weitere Gewalttaten zu begehen, denn die einzige Lehre für sie lautet: Ihr Handeln bleibt spürbar folgenlos. Dieser Weg muss durchbrochen werden, um das Vertrauen in die rechtsstaatlichen Grundsätze nicht weiter zu beschädigen und Gerechtigkeit zu ermöglichen.“
Die Abgeordnete betont, dass die Unabhängigkeit der Justiz überhaupt nicht zur Debatte steht und es auch keine Erwartungshaltung gibt, dass der Justizminister in ein konkretes laufendes Gerichtsverfahren eingreift. „Jedoch sind rechtliche Weichenstellungen zum Verzicht auf Deals im Vorfeld möglich gewesen, wurden aber versäumt. Umso mehr sollten die gesetzlichen Spielräume, die Justizminister haben, jetzt genutzt werden, um weiteren Schaden in das Vertrauen der Menschen in den Rechtsstaat abzuwehren und Betroffene vor solchen schweren Gewalttaten zu schützen. Dazu wäre eine Anweisung jenseits von konkreten Verfahren möglich, wenn diese sich an vorhandenen gesetzlichen Maßstäben orientiert. So könnten Staatsanwaltschaften angewiesen werden, bei Straftaten aus rassistischen, antisemitischen oder sonstigen rechten Beweggründen, keine Angebote zu unterbreiten, die eine Strafmilderung beinhalten bzw. solche nicht ohne Einverständnis der verfahrensbeteiligten Nebenkläger stattfinden dürfen. Dies fordert u.a. auch der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“, so König-Preuss abschließend.