Halle-Prozess setzte neue Maßstäbe im Umgang mit Betroffenen

Anlässlich des heute in Magdeburg ergangenen Urteils gegen den Attentäter von Halle, der am 09. Oktober 2019 – zum höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur – versuchte, in der Synagoge in Halle dutzende Jüdinnen und Juden zu ermorden und der, nachdem er an der Synagoge scheiterte, zwei Menschen ermordete und weitere, teils mit dem Ziel sie zu ermorden, schwer verletzte, erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Der Halle-Prozess hat – gerade auch im Vergleich zum NSU-Prozess – neue, richtige Maßstäbe im Umgang mit Betroffenen rechter, antisemitischer, rassistischer und antifeministischer Straftaten gesetzt, welche ich mir so künftig für andere – auch in Thüringen anstehende – Prozesse wünsche.

 
Für die Betroffenen standen extra Räume – getrennt von Besucher*innen und Journalist*innen – zur Verfügung, in die sie sich zurückziehen konnten, ebenfalls wurde ihnen ermöglicht, Vertrauens- und Begleitpersonen mit in den Prozess zu nehmen. Auch wurde den Opferberatungen die kontinuierliche Teilnahme am Prozess ermöglicht. Das Agieren des Gerichts in Magdeburg bezüglich des Umgangs mit Betroffenen sollte bundesweit als Vorbild für solche Prozesse gelten.“ Die Abgeordnete wird dazu entsprechende Gespräche mit dem Thüringer Justizminister führen.  
König-Preuss bedankt sich bei den Betroffenen und Nebenklageanwält*innen, denen es gelungen ist, erstmals in Deutschland die Betroffenen-Perspektive als die maßgebliche – nicht nur im Prozess sondern auch in der medialen Rezeption – in den Vordergrund zu stellen. „Die Selbstermächtigung der Betroffenen und die Solidarität, die auch durch die täglichen Kundgebungen vor dem Gericht bildlich wurde, sollte ebenso wie deren Forderungen zum Anspruch und Maßstab jeglichen nun folgenden politischen und gesellschaftlichen Handelns werden.“

 

Jeremy Borovitz, Überlebender sagte in seinem Schlusswort:
„Mindestens ein Mensch ist hier schuldig. Aber Verantwortung trägt die ganze deutsche Gesellschaft. Die Rechtsanwälte, Richter, Polizeibeamten in diesem Gerichtssaal, die Politiker, ja, sogar die Nebenkläger – wir alle sind verantwortlich dafür, eine bessere, gerechtere Gesellschaft aufzubauen.“
 
Christina Feist, Überlebende sagte in ihrem Schlusswort: „Das Attentat vom 9. Oktober 2019 war kein Einzelfall.
Antisemitismus, Rassismus und Frauenfeindlichkeit sind keine neuen Erscheinungen und erst recht keine Missverständnisse, sondern Teil einer rechtsradikalen Ideologie, die die Demokratie fortwährend gefährdet. Wer sich diesen Realitäten nicht stellt, bagatellisiert Gefahr und Ausmaß rechter Ideologie.
Wer diese Realitäten weiterhin stur verneint, verharmlost die Niederträchtigkeit eines Attentats, wie dem in Halle, und verhöhnt damit in letzter Konsequenz auch die Betroffenen und Hinterbliebenen. So kann es nicht weiter gehen.“
Eine weitere Überlebende aus der Synagoge sagte in ihrem Schlusswort: „Ich bin jung und habe mein ganzes Leben vor mir. Ich kann nicht vergessen, was während des Anschlags passierte. Der Anschlag wird ein Teil meiner Erinnerungen bleiben. Solange ich am Leben bin, kann ich darüber schreiben, was ich erlebt habe. Aber ich leihe meine Stimme nicht nur den sechs Millionen, die nicht mehr sprechen können, sondern auch den Opfern und Überlebenden, die nach dem Kriegsende nicht ernst genommen wurden. Dies kann ich nur tun, weil ich überlebt habe. Das Schweigen zu Antisemitismus und Rechtsextremismus muss gebrochen werden. Dazu muss die Mehrheitsgesellschaft beitragen.“
Die ausführlichen Schlussworte der Nebenkläger*innen sind unter: https://democ.de nachlesbar.  

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