„In Thüringen gibt es Neonazi-Aktivitäten in vielfältiger Weise. Ein Teil davon wird polizeilich begleitet, was gut ist, andere Aktivitäten können weitgehend unbehelligt stattfinden. Dazu zählt etwa die ‚Artgemeinschaft-Germanische-Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V.‘, eine völkische-neonazistische Gruppierung, bei denen auch Sicherheitsbehörden keinerlei Zweifel an ihren verfassungsfeindlichen Bestrebungen haben. Dennoch kann die ‚Artgemeinschaft‘ seit vielen Jahren oft unbehelligt in ihrem Rückzugsraum in Nordthüringen agieren und sich mit hunderten Personen treffen, wie zuletzt vom 18. bis 21. Juni 2020 mit ca. 300 Teilnehmern, darunter dutzende Kinder“, so Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag.
Die Abgeordnete hinterfragt, ob das Treffen der Artgemeinschaft gemäß den Infektionsschutzbestimmungen angezeigt war und ob es entsprechende Kontrollen zur Einhaltung gab. König-Preuss hebt die klar extrem rechte Ausrichtung der Gruppierung hervor, die rassistisch, revisionistisch und antisemitisch auftrete. Sie erklärt: „Ihr Anführer ist Jens Bauer, ehemals Magdeburger NPD-Chef, der dem verurteilten NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben nach dessen Haftentlassung Unterschlupf gewährte.“
In den Antworten der Landesregierung auf zwei von ihr eingereichte Kleine Anfragen erklärte das Innenministerium kürzlich, dass in den letzten zwei Jahren 99 politisch motivierte Straftaten Rechts in der Stadt und im Landkreis Nordhausen registriert wurden. Zudem hätten allein im letzten Jahr fünf Veranstaltungen der Artgemeinschaft in Ilfeld bei Nordhausen stattgefunden, vier davon mit unterer dreistelliger Besucherzahl. Bereits zur Sommersonnenwende im Juni 2019 waren über 300 Personen der völkischen Vereinigung anwesend. Weiter heißt es dazu vom Ministerium: „Die Veranstaltungen wurden nicht mit polizeilichen Maßnahmen begleitet. Straftaten beziehungsweise Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit den Veranstaltungen der ‚Artgemeinschaft‘ wurden polizeilich nicht bekannt.“
König-Preuss kritisiert: „Straftaten und Ordnungswidrigkeiten können natürlich nicht bekannt werden, wenn es keine polizeilichen Maßnahmen vor Ort gibt und nicht hingeschaut wird. In Themar und bei anderen großen Veranstaltungen der Thüringer Neonazi-Szene gab es zuletzt die nötige Aufmerksamkeit und professionelle Kontrollen durch die Polizei. Gerade dadurch wurde eine Vielzahl von Verstößen erst festgestellt. Warum dies nicht auch bei den mehrfach jährlich stattfindenden Treffen der Artgemeinschaft erfolgt, ist mir absolut unverständlich.“
In der Region Nordhausen zählte die Landesregierung in den letzten zwei Jahren 22 Treffen und Veranstaltungen verschiedener Gruppen der extrem rechten Szene, 18 davon allein in Ilfeld, wo die Neonazi-Szene mit dem Hotel Hufhaus bundesweit über einen Rückzugsort verfügt. Treffen mit behördlich bekannter Teilnehmerzahl weisen für das Objekt Ilfeld in den letzten zwei Jahren insgesamt 1.868 Teilnehmer aus. König-Preuss weiter: „Wir wissen, dass Orte mit hohem Kontrolldruck für Neonazis ungemütlich werden und als weniger attraktiv gelten. Demzufolge gilt aber auch: Dort, wo sie ungestört agieren können, lassen sie sich besonders gerne nieder. Daher sollte auch im Norden Thüringens endlich hingeschaut werden, insbesondere dann, wenn wie in Ilfeld auch immer wieder Kinder zu den extrem rechten Events mitgebracht werden.“