Am 1. Mai 2017 nahm die Polizei über 100 Neonazis, die in Apolda randaliert hatten, vorübergehend fest. Zu den Ermittlungen gibt es nun neue Erkenntnisse. Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, erklärt:
„Auf der Rückfahrt von einer Neonazi-Versammlung in Halle hatte sich eine bis zu 350 Personen starke Gruppe in Merseburg geteilt. 200 bis 250 Neonazis verließen dort den Bahnhof sowie ein kompletter Einsatzzug der Bundespolizei, der zur Begleitung vorgesehen war. Die übrigen 100 Neonazis fuhren ohne Begleitung der Bundespolizei nach Thüringen und trafen sich am Apoldaer Bahnhof mit weiteren per PKW Zugereisten, um dann eine ‚Spontandemonstration‘ durchzuführen, von der aus es erhebliche Angriffe auf die dortigen Einsatzkräfte der Thüringer Polizei gab. Von den über 100 Festgenommen stammt die Hälfte aus Thüringen, die andere Hälfte aus 11 weiteren Bundesländern. In den organisatorischen Ablauf eingebunden war laut der Thüringer Landesregierung die Neonazi-Gruppe ‚Antikapitalistisches Kollektiv‘ (AAK).“
Im Vorfeld hatte das AAK wörtlich mit einem „hohen Gewaltpotential“ mobilisiert, am 1. Mai jubelte die Gruppierung, die sich den „Autonomen Nationalisten“ in der Neonazi-Szene zurechnet, auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit Phrasen, wie „Große militante Spontandemonstration in Apolda. Polizei hat Angst“, „Polizei wurde zurückgedrängt und beworfen. Wir holen uns die Straße zurück“, „Die Straße gehört uns! Polizei hat Angst“ und „Völlige Eskalation in #Apolda“.
Wie die Landesregierung auf eine Anfrage der Abgeordneten Katharina König nun mitteilte, wurden durch die Neonazis drei Fahrzeuge der Thüringer Polizei beschädigt. Ein Funkstreifenwagen sei „massiv mit Steinen und Flaschen beworfen“ worden, auch die Doppelglasscheibe eines Versicherungsgebäudes sei mit einem Pflasterstein beschädigt worden. Später seien auch Nothämmer bei den Neonazis gefunden worden.
König-Preuss weiter: „Dass über 100 gewaltbereite und aggressive Neonazis unbegleitet fast eine Stunde lang von Sachsen-Anhalt nach Thüringen mit dem Zug reisen, weil die Bundespolizei sich verabschiedet oder das Szenario nicht geplant hat, ist schon ein Sicherheitsrisiko und schwer nachvollziehbar. Ich bin froh, dass die Thüringer Landespolizei daraufhin vorsorglich an mehrere Thüringer Bahnhöfe Beamte entsandte und nach dem Ausstieg der Neonazis am Bahnhof Apolda zügig weitere Kräfte alarmierte, um so letztendlich einen Großteil der 150 Randalierer dingfest zu machen.“
Innerhalb von weniger als fünf Minuten nach dem Verlassen der Neonazis aus dem Bahnhof waren über 170 Polizeibeamte alarmiert, am Ende waren 215 Beamte in Apolda im Einsatz. Von den 103 wegen Landfriedensbruchs vorläufig Festgenommen stammten 55 aus Thüringen, 16 aus Hessen, 9 aus Baden-Württemberg, 6 aus Rheinland-Pfalz. Weitere 17 verteilten sich auf Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Bayern, NRW, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.
Wie die Landesregierung mitteilte, werden die 55 Thüringer Tatverdächtigen den zwölf folgenden extrem rechten Gruppierungen zugeordnet: „Antikapitalistisches Kollektiv“ (AKK), „Kollektiv56“, „Aktionsgruppe Weimarer Land“, „Pro Ohrdruf“, „Nationale Jugend Gotha“, „Division Gotha“, „Nationaler Aufbau Eisenach“ (Zusammenschluss von „Nationale Jugend Eisenach-Wartburgkreis“ und „Jugend-offensive Wartburgkreis“), „Garde 20″, „Kommando EKSV“, „Sturm 29 – NaHoo“, „Werwölfe Thüringen“ und „Division Braune Wölfe“.
„Die Landesregierung gibt zugleich Hinweise für Gefahrenprognosen bei künftigen Versammlungen, indem sie erklärt, dass dort, wo das AKK auftrete, von einem erhöhten Gewaltpotential ausgegangen werden kann. Dem Thüringer Ableger der AKK, dem Kollektiv 56 im Großraum Erfurt, werden mehrere gewalttätige Aktionen zugerechnet, darunter eine Körperverletzung in einem Erfurter Schnellimbiss, das Eindringen in die Erfurter Engelsburg, zerstörte Scheiben am Bahnhof Vieselbach und der Überfall auf das Alternative Jugendzentrum (AJZ) in Erfurt am 5. Mai 2016. Angesichts des Gewaltpotentials der Gruppe, aber auch vor dem Hintergrund des neuerlichen Übergriffs von Neonazis vor wenigen Tagen auf das Erfurter AJZ, bei dem mindestens ein Täter vom ersten Überfall wiedererkannt wurde, hoffen wir, dass die Thüringer Sicherheitsbehörden das AKK noch stärker in den Blick nehmen, um entsprechende Straftaten konsequent aufzuklären und zu verfolgen“, sagt Katharina König-Preuss.
Die beantwortete Kleine Anfrage findet sich hier (PDF).