Die Opferberatung ezra hat heute ihre Jahresstatistik 2016 zu rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen vorgestellt. Katharina König, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, erklärt dazu: „Der erneute Anstieg von mehr als 30 Prozent bei der Gesamtzahl von registrierten Fällen rechter Gewalt und eine Steigerung von über 90 Prozent bei rassistisch motivierten Übergriffen machen die brutalen Auswirkungen von völkischen und nationalistischen Einstellungen deutlich, die das Fundament dieser Attacken bilden. Auch mehr als fünf Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU hat Thüringen ein gewaltiges Problem mit rechter Gewalt, dem die Landesregierung mit noch intensiveren Anstrengungen begegnen muss.“
2015 zählte Ezra bereits 121 Fälle rechter und rassistischer Gewalt in Thüringen mit 196 Betroffenen, 2016 sind es nun über 160 Angriffe mit 277 Betroffenen, die der Beratungsstelle bekannt wurden. „Das ist nur die Spitze des Eisberges, das Dunkelfeld dürfte noch größer sein sein. Die Kritik der Opferberatung, wonach Thüringer Polizeibehörden bislang nur unzureichend auf die Beratungsangebote hinweisen, muss die Landesregierung ernst nehmen, die Zusammenarbeit und den Austausch verbessern. Auch die Betroffenen müssen sich bei der Anzeigenaufgabe von der Polizei ernstgenommen fühlen“, so König, die für eine weitere Sensibilisierung wirbt. Ezra hatte beklagt, dass von 180 BeratungsnehmerInnen nur drei Opfer von rassistischen und rechten Strafttaten beim Kontakt mit der Polizei über das Beratungsangebot informiert wurden, obwohl seit Oktober 2015 ein Pilotversuch laufe.
Auch die von der Beratung bemängelte unzureichende Beantwortung parlamentarischer Anfragen im Landtag durch das Innenministerium zu rechter und rassistischer Gewalt muss nach Ansicht von Katharina König abgestellt werden, damit ein präzises Bild über das Ausmaß rechter Gewalt möglich wird. Bislang verzichtet Thüringen anders als Sachsen-Anhalt auf die Benennung von Datum und Tatorten in den Antworten auf Anfragen, weshalb die Daten weder vergleichbar noch lokale Brennpunkte ermittelbar sind.
„In dem aktuellen gesellschaftlichen Klima, befeuert durch Hatespeech in sozialen Netzwerken und Hassreden von bezahlten Thüringer AfD-Mandatsträgern in Brauhäusern und auf Demonstrationen, werden vor allem Geflüchtete und ihre Unterkünfte immer mehr zur Zielscheibe von Angriffen in Thüringen“, so König, die sich auch auf parlamentarische Anfragen der Linksfraktion im Thüringer Landtag bezieht.“
2015 wurden nach Kenntnis des Innenministeriums in den ersten drei Quartalen insgesamt 37 Unterkünfte von Geflüchteten angegriffen, davon können 23 eindeutig der politisch motivierten rechten Kriminalität zugeordnet werden. Anhand der bisher vorliegenden Daten stiegen im selben Zeitraum 2016 die Übergriffe auf 46 an, von denen 80 Prozent als klar PMK-rechts (37 Fälle) eingeordnet werden konnten. “ Auch die kürzlich auf eine Anfrage der LINKE-Bundestagsfraktion vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Zahlen sind besorgniserregend: 2.545 Angriffe auf Geflüchtete und 988 auf ihre Unterkünfte bundesweit im Jahr 2016.
König abschließend: „Hier ist sowohl die Gesellschaft mit einer klaren Haltung für eine demokratische Kultur und für ein solidarisches Miteinander gefragt, als auch ein verstärkter repressiver Druck auf die Strukturen der extremen Rechten.“