Zur Vorstellung des Thüringen-Monitors 2016 äußern sich Sabine Berninger, flüchtlingspolitische Sprecherin der Linksfraktion, und Katharina König, Sprecherin für Antifaschismus:
„Der aktuelle Monitor gibt erneut wichtige, in Teilen in sich widersprüchliche Einblicke in das politische Meinungsklima. Gerade mit dem gewählten Schwerpunktthema markiert die Studie Hausaufgaben, die von Politik und Zivilgesellschaft jetzt geleistet werden müssen“, sagt Sabine Berninger. Die gemessenen Werte zeigten, dass Politik Begegnungen und Kennenlernen ermöglichen müsse, um bestehende Widersprüche in den Ein- und Vorstellungen zu beseitigen. Äußerst positiven Werten, wie der Aussage von 79 Prozent der Befragten, Flüchtlingen sollten legale Möglichkeiten der Einreise nach Deutschland eröffnet werden, stünden Vorstellungen restriktiver Asylpolitik und vorurteilsbehaftete Befürchtungen in der Thüringer Bevölkerung gegenüber, die mit der realen Situation nicht übereinstimmten. So sehen die Autoren anhand des wirtschaftlich günstigen Kontextes und der positiven Bewertung der allgemeinen und individuellen wirtschaftlichen Lage in Thüringen Anlass zu einer „Dämpfung“ der Sorgen um die Integrationskapazität, die jedoch nicht gemessen worden sei. Stattdessen befürchte mehr als die Hälfte der Befragten Veränderungen ihrer Lebensweise und definiere Integration als „Plan B“, solange nicht die befürchtete Heterogenität durch Abschiebung abgelehnter Asylsuchender verhindert werden könne.
Erkennbar sei aber wiederum auch der Einfluss eigener lebensweltlicher Erfahrungen auf die Urteilsbildung: Der Furcht von über 50 Prozent der Befragten vor einer „Überfremdung“ in der Bundesrepublik stehen solche Ängste bei nur einem Viertel gegenüber, wenn es um den Freistaat Thüringen geht, und bei gerade einmal sieben Prozent bezogen auf ihr eigenes Wohnumfeld. 72 Prozent der Befragten haben gar keinen persönlichen Kontakt mit Geflüchteten, 81 Prozent sehen keinerlei Auswirkungen auf ihr Leben durch Geflüchtete.
„Geflüchtete sind längst Teil der Thüringer Gesellschaft, das zu akzeptieren fällt vielleicht immer noch nicht allen leicht, aber es ist sehr erfreulich, dass es eine ungebrochen große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung gibt, Notleidenden und Flüchtlingen zu helfen und dass fast 90 Prozent die Chancen der Zuwanderung der Menschen für die Gesellschaft erkennen. Hier muss Politik und hier muss auch die Zivilgesellschaft ansetzen, Begegnungs- und Erfahrungsräume schaffen und vorurteilsbehaftete Ressentiments entkräften. Nicht durch Belehrungen, sondern durch den ganz praktischen Nachweis, dass Befürchtungen unbegründet sind, dass Unterschiede im Leben dazu gehören und bereichernd sein können“, so Berninger.
Katharina König erklärt: „Der Rückgang der erfassten extrem rechten Einstellungen ist positiv, kann jedoch nicht über die reale Zunahme rassistischer und neonazistischer Aktionen, Versammlungen und gewalttätiger Übergriffen insbesondere auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte hinwegtäuschen. Dass über 52 Prozent der Menschen trotz eines Anteils von nur vier Prozent Geflüchteter und MigrantInnen in Thüringen sich dennoch „gefährlich überfremdet“ fühlen und annähernd zwei Drittel der Befragten eine starke Hand und ein hartes Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland befürworten, ist äußerst bedenklich. Der Monitor zeigt jedoch auch, dass eine Mehrheit der Bevölkerung für Solidarität und für soziale Gerechtigkeit steht und ein Aufhetzen der Gesellschaft durch die AfD ablehnt. Wie nicht nur der in Bayern getötete Polizist zeigt, geht von der extremen Rechten weiterhin eine akute Bedrohung für die Gesellschaft aus, die ein konsequentes Vorgehen gegen Neonazismus und alle Formen der gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nötig macht.“
Der vom Monitor festgestellte „gesellschaftliche Konsens“ von ressentimentgeleiteten Haltungen gegenüber Muslimen in Thüringen ist aus Sicht der LINKEN eine der großen Herausforderungen. „Hier haben wir noch einige Arbeit vor uns, gerade durch die wenigen und erst kurzzeitigen Kontakte mit Muslimen haben sich bislang viele noch kein ausreichend differenziertes Bild machen können. Hier braucht es weitere Begegnungen, Informationen und Austausch, um gleichermaßen emanzipierend auf schon länger hier wohnende Menschen wie auch muslimische Zuwanderer wirken zu können“, so König weiter.
Berninger und König erteilen der durch RechtspopulistInnen, Neonazis und RassistInnen immer wieder forcierten Spaltung der Gesellschaft eine Abfuhr. „Dort, wo es reale Probleme gibt, müssen diese angegangen und gelöst werden. Thüringen ist hier anders als die Bundesregierung bei der Integration und Aufnahme Geflüchteter schon auf gutem Weg. Wir brauchen mehr Bekenntnisse und Taten für soziale Gerechtigkeit, ein Mehr an staatlichen Investitionen in Bildung, Arbeit und Soziales. Vor dem Hintergrund der vielfach weiterhin empfundenen Benachteiligung bedarf es auch einer Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West“, so die beiden Abgeordneten abschließend.