In der der letzten Nacht (vom 8. zum 9. Oktober) wurde das Jugend- und Wahlkreisbüro Haskala der Landtagsabgeordneten Katharina König in der Saalstraße in Saalfeld erneut Ziel einer offensichtlich neonazistisch motivierten Attacke. „Seit der Demonstration von NPD-Kreisrätin Mandy Meinhardt am letzten Freitag erleben wir eine Zunahme von neonazistischen Vorfällen in der Region um Saalfeld, seit einer Woche verging nicht ein Tag, an dem es nicht zu Übergriffen, Bedrohungen oder rassistischen Schmierereien kam. Ziel der Hassattacken sind dabei vor allem Flüchtlinge und deren Unterstützer_innen“, berichtet Katharina König, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE. Weiterlesen:
Am 2. Oktober marschierten in Rudolstadt über 350 Rassisten auf der Demonstration der NPD-Kreisrätin Mandy Meinhardt. Unter den Teilnehmern befanden sich eine hohe Anzahl gewaltbereiter Neonazis verschiedener Gruppen, darunter NPD, Kameradschaften, bekannte Holocaustleugner und Neonazi-Rocker aus der Region. Auch viele verurteilte rechte Schläger, Mitglieder des früheren „Thüringer Heimatschutzes“ und mehrere jener Neonazis aus dem Rotlicht-Milieu, die vor zwei Jahren wegen eines Raubüberfalls 1999 auf einen Geldtransporter verurteilt wurden, liefen mit. Dazwischen so genannte „besorgte Bürger“.
Noch am Freitagabend (2.10.) nach der Demonstration zog eine kleine Gruppe Neonazis mit Megafon durch die Stadt und grölte NS-Parolen. In der Nacht (3.10.) versuchten in Krölpa nahe Saalfeld mehrere Deutsche einen 19-jährigen Afghanen zu attackieren, die Polizei ermittelt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung und geht von einem fremdenfeindlichen Hintergrund aus. Am Sonntag (4.10.) wurde bekannt, dass an einer Hauptverkehrsstraße am Saalfelder Bahnhof eine Trafo-Station schwarz-weiß-rot in den Farben einer Fahne des „Deutschen Reiches“ bemalt wurde. Am Montag (5.10.) wurden im Stadtteil Gorndorf verstärkt Neonazi-Plakate u.a. an Bushaltestellen gekleistert. Am Dienstag (6.10.) wurde auf einem Weg in Saalfeld, an dem jeden Tag Flüchtlinge zur Ausländerbehörde laufen, ein Hakenkreuz gesprüht. Am Mittwoch (7.10.) wurde ein syrischer Jugendlicher am Platz der Opfer des Faschismus in Rudolstadt aus einer größeren Gruppe heraus rassistisch beschimpft, angegriffen und leicht verletzt.
In der letzten Nacht sprühten Unbekannte an das Wahlkreisbüro Haskala Neonazi-Parolen, „Judenhure“, zwei Hakenkreuze und einen Davidstern. In der Umgebung wurden mindestens fünf weitere im Schnitt 80 cm große Hakenkreuze gesprüht, ein Gebäude wurde mit Davidstern und „Juden“ markiert. Ebenfalls letzte Nacht wurde die neue Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Rudolstadt, gegen die sich die Demonstration vor wenigen Tagen gerichtet hatte, mit Farbe attackiert. „Stop Asylflut“ und Hakenkreuze mussten die geflüchteten Menschen heute Morgen an den Außenmauern lesen. An weiteren Orten in Rudolstadt befanden sich heute Morgen Parolen wie „Refugees not welcome“, „Frau K. ab in Ofen“ in Anspielung auf frühere Konzentrationslager. Mehrere Gäste des Wahlkreisbüros berichteten der Abgeordneten in dieser Woche von weiteren Bedrohungen und versuchten Attacken durch Neonazis.
„Derzeit ist ein Radikalisierungs-Trend zu beobachten, der sich nicht nur in Saalfeld vollzieht. Durch die Demonstrationen von Neonazis und AfD, wie sie auch in Erfurt und in anderen Städten stattfinden, steigert sich der Hass, der bereits in sozialen Netzwerken ausgetobt wird. Die Täter glauben häufig, den „Volkswillen“ zu vollstrecken, und fühlen sich dadurch bestärkt, dass sie durch so genannte ‚besorgte Bürger‘ selten Abgrenzung erfahren, wie auch vor einer Woche bei der Demonstration in Rudolstadt zu sehen war“, so die Abgeordnete.
König weiter: „Wenn, wie in Rockensußra oder Gerstungen, Häuser brennen, Flüchtlinge auf der Straße Angst vor Gewalt haben müssen und Hakenkreuze an Häuserwände geschmiert werden, dann sollte klar sein, dass das Gebot der Stunde nicht Abschottung an nationalen und europäischen Grenzen sein kann, sondern Solidarität und Schutz mit den Geflüchteten und klare Positionierung gegen Rassisten aller Couleur.“ Katharina König weist Äußerungen der AfD von heute, wonach bei ihren Demonstrationen in Erfurt rechtsextremistische Plakate nicht geduldet würden, als Lügen zurück. „Erst an diesem Mittwoch marschierten die NPD und ihre bekannten Funktionäre in der AfD-Demonstration in Erfurt mit. Dabei wurden die rassistischen NPD-Wahlplakate aus dem Thüringer Landtagswahlkampf gehisst, bei denen einfach das NPD-Logo entfernt wurde. Dass die AfD das nicht gemerkt haben will, kann man kaum mit Naivität begründen. Eher scheinen wir an einem Punkt angekommen zu sein, an dem die Grenzen zwischen Rechtspopulismus und Neonazismus verschwimmen.“ Die Abgeordnete geht davon aus, dass die Radikalisierung, insbesondere die Gewaltausbrüche, auch den Thüringer Sicherheitsbehörden nicht entgangen sind und diese entsprechend sensibel notwendige Maßnahmen ergreifen. Sie hat in mehreren Fällen, wie auch zu den Attacken der letzten Nacht, Anzeige erstattet.
Zur Dokumentation einige Exemplare von heute Nacht:
Links: Nachbargebäude einige Meter vom Haskala entfernt, Rechts: Bereits überpinselte Hakenkreuze
Farbreste nach dem entfernen, u.a. Tür, Scheibe und Fassade beschädigt, zuvor stand dort u.a. „K.K. Judenhure“ mit K.K. soll Katharina König gemeint sein
„Frau K. ab in den Ofen“ , gesprüht in Rudolstadt
Hakenkreuze, „Asylflut stoppen / Refugees not welcome“
Beschmierte Außenmauern der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Rudolstadt
In der Straße „Am Hügel“ in Saalfeld
Die Kripo Saalfeld führt die Ermittlungen zu den Schmiererein in Saalfeld und Rudolstadt fort und bittet in dem Zusammenhang um Hinweise zu verdächtigen Personen oder Fahrzeugen, die mit den Taten in Verbindung stehen könnten. Tel. 03672/417-1464.
Nach diesem Beitrag wurde weitere Vorfälle bekannt: Weitere gewalttätige Überfälle von Neonazis in Saalfeld – zwei junge Frauen verletzt