Konsequenz aus NSU-Ermittlungsfehlern: Anonymes Hinweis-System für rechte Straftaten für das LKA Thüringen

bkms-bawue1„Mehr als zwei Jahre nach der Aufdeckung der mörderischen Neonazi-Gruppe NSU und den damit bundesweit bekannt gewordenen zahlreichen Fehlern bei den Ermittlungen sollten sich Thüringer Sicherheitsbehörden über organisatorische Konsequenzen bei der Bekämpfung neonazistischer Gewalt und Strukturen weiter auseinandersetzen“, fordert die Sprecherin für Antifaschismus der Linksfraktion, Katharina König, Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss und Innenausschuss für DIE LINKE.

Die Abgeordnete empfiehlt der Landesregierung, die Einführung eines anonymen elektronischen Hinweis-Systems für rechte Straftaten in Thüringen zu prüfen, da sich ein solcher Einsatz in den letzten zwölf Monaten bereits in Baden-Württemberg bewährt habe. „Mit der Einführung der neuen Sonderkommission BAO ZESAR, welche dienststellenübergreifend gegen Aktivitäten der rechten Szene in Thüringen vorgehen soll, hat Thüringen im Frühjahr bereits einen ersten praktischen Schritt unternommen“, so die Abgeordnete resümierend.

Allerdings gebe es weitere Baustellen in dem Bereich, vor allem was die Anbindung zur Bevölkerung anbelangt, konkret den Erhalt wichtiger Hinweise auf rechte Aktivitäten und Straftaten in Thüringen durch aufmerksame Bürgerinnen und Bürger. „Nicht selten scheuen Zeugen oder Betroffene aus Sorge vor persönlichen Nachteilen eine direkte Anzeige bei der Polizei, zum Beispiel aus Angst, dass Neonazis über die Akteneinsicht ihrer Verteidiger an private Daten der Hinweisgeber gelangen könnten“, so König. „Das sorge unter Umständen dafür, dass wichtige Information zur Bekämpfung rechter Straftaten gar nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig bei den zuständigen Ermittlern der Polizei eintreffen können, hier mangelt es bislang an einer adäquaten Lösung.“

Würden Hinweise dennoch anonym an die Polizei weitergegeben, so verlaufe dies meist einbahnstraßenmäßig, z.B. durch anonyme Anrufe oder Briefe ohne Absender, was jedoch nicht selten dazu führt, dass Ermittlungen im Sande verlaufen, etwa weil die Ermittler freilich keine Nachfragen stellen könnten. Elektronische Kontaktmöglichkeiten sind auf Thüringer Polizeiseiten oft nicht auf den ersten Blick erkennbar. Um sowohl die Anonymität von Bürgerinnen und Bürgern zu gewährleisten als auch die Qualität der polizeilichen Präventionsarbeit und Strafverfolgung gegen neonazistische Strukturen zu steigern, setzt das Landeskriminalamt Baden-Württemberg mit einem neuen Konzept an: Vor einem Jahr wurde dort ein anonymes Online-Hinweis-System BKMS (Behördenlink!) für rechte Straftaten eingerichtet*.

Hinweisgeber können anonym Informationen beispielsweise zur Verwendung von verbotenen Nazi-Parolen, zu geplanten Straftaten und Übergriffen, zur Bildung krimineller rechter Organisationen, zu Volksverhetzung oder zu anderen typischen politisch-rechts motivierten Delikten geben. Seit September 2012 gingen über dieses System 409 Hinweise ein, ganze 200 davon seien nach der Überprüfung sachdienlich gewesen und hätten nach Aussage des dortigen LKA-Chefs einen realen Hintergrund gehabt. Hinweisgeber können in einem gesicherten Bereich selbst ein Postfach anlegen, über das die Ermittler Nachfragen stellen können.

„Nicht nur geplante illegale Neonazi-Konzerte oder Hakenkreuze und rechte Gewaltaufrufe in sozialen Netzwerken ließen sich damit möglicherweise effektiver durch die Unterstützung aus der Bevölkerung aufklären, auch ernsthafte rechte Bedrohungen in der Offline-Welt könnten über das System vielleicht schneller erkannt werden“, sagt König, die auch auf einen Fall aus Baden-Württemberg verweist, bei dem Beamte Materialien zum Bombenbau bei einem mutmaßlichen Neonazi fanden, nachdem zuvor eine entsprechende Meldung im Hinweis-System durch einen Bürger aus dem Umfeld der rechten Szene einging. Katharina König verweist auf die Verantwortung, die das Land Thüringen spätestens seit dem Bekanntwerden des jahrelangen Neonazi-Terrors habe. Auch das Landeskriminalamt Baden-Württemberg habe das System als Konsequenz auf die NSU-Mordserie eingeführt, sowie als Reaktion auf alle weiteren Vorfälle, „bei denen Menschen aufgrund ihrer Rasse oder Herkunft diskriminiert bzw. ausgegrenzt werden“, so die dortigen Ermittler.

bkms2bkms3

(Screenshot: Webseite BKMS / LKA Baden Württemberg)

Die Abgeordnete befragte die Landesregierung am 4.11.2013 (siehe Anhang), ob ein solches System auch in Thüringen in Planung ist oder eine Einführung geprüft werden könne. „Ein entsprechendes Hinweis-System könnte eventuell auch die Arbeit der BAO ZESAR sinnvoll verbessern, wenn die Sonderkommission an der Hinweis-Auswertung direkt angebunden ist, um lokale Erkenntnisse zu überregionalen Lageinformationen der rechten Szene zu verdichten und daraus Strafverfolgungs- aber auch Präventionsansätze abzuleiten, wofür die Sondereinheit ja auch eigentlich gedacht sei, so die Abgeordnete. Ergänzend weist sie daraufhin, dass das in Baden-Württemberg eingesetzte System auf allen dortigen Startseiten von Polizei, LKA und Innenministerium unübersehbar platziert wird und Nutzern zwar Anonymität zugesichert wird (keine IP-Datenspeicherung), aber darauf hingewiesen wird, dass die Nutzung öffentlicher PCs noch sicherer sei. Das System ist auch über das Anonymisierungsnetzwerk TOR erreichbar.

* https://www.bkms-system.net/bkwebanon/report/clientinfo?cin=12lkabw23re&language=ger

Download der Anfrage hier.

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben