Vortrag von Olaf Kistenmacher in Saalfeld bei Jena am 13. Dezember um 19:30 Uhr: „Entfernt die Parasiten!“ – Zur Biologisierung von Arbeit und Kapital am Beispiel der Kommunistischen Internationale: Die Konzepte „Arbeit“ und „Arbeiter“, über die sich das organisierte Proletariat seit dem 19. Jahrhundert definierte, implizierten Vorstellungen, die nicht auf die sozialistische und kommunistische Bewegung beschränkt waren. So war in Deutschland die Ansicht verbreitet, dass Deutsche produktiver seien als Angehörige andere Nationalitäten. Populär war ebenfalls die Vorstellung, man müsse die Arbeit, das Handwerk und die Industrie lediglich von einem „schädlichen“ Einfluss freihalten, damit es nicht mehr zu ökonomischen Krisen, Ausbeutung und Verelendung komme. Ende der 1920er Jahre machte zudem mit der NSDAP eine weitere Partei der KPD den Ruf streitig, die „einzige Arbeiterpartei“ zu sein und den Menschen „Lohn und Brot“ zu geben. Weiterlesen:Das Zentralorgan der KPD, Die Rote Fahne, zeigte 1925 auf der Titelseite unter der Überschrift „Entfernt die Parasiten! Wählt Kommunisten“ einen riesigen, muskulösen Arbeiter, der in einer Industrielandschaft steht und in seinen Händen einen Großgrundbesitzer und einen Kapitalisten hält. Die Bezeichnung „Parasiten“ unterstrich, dass die Vertreter der herrschenden Klasse als überflüssige Nutznießer eines Produktionsprozesses erscheinen sollten, der ohne sie besser funktionieren würde. In der Broschüre Was wollen die Kommunisten? bezeichnete der Parteitheoretiker Josef Lenz 1927 die Kapitalisten als „eine unnütze Schmarotzerklasse“. Solche Beschreibungen waren mehr als eine metaphorische Ausdrucksweise. Die neue Verfassung der sowjetrussischen Föderation sah seit 1918 vor, dass wer „nicht arbeitet“, auch „nicht essen“ soll.
Seit Mitte der 1920er Jahre richtete sich die bolschewistische Politik verstärkt gegen die „NEPLeute“, „Kulaken“ und die „sozial fremden Elemente“. Zur gleichen Zeit legte die Kommunistische Internationale bei der Wahl der Parteivorsitzenden besonderen Wert auf eine einwandfreie Herkunft aus dem Arbeitermilieu.
Zur Analyse des Arbeitsfetischs in der KPD wird der Vortrag zwei Theorieansätze verknüpfen, die sich grundsätzlich unterscheiden. In seiner neuen Marx-Lektüre zeigt Moishe Postone, dass der traditionelle Marxismus die „Arbeit“ nicht in seine Gesellschaftskritik mit einbezog, sondern davon ausging, dass die Produktionsweise im Sozialismus im Kern die Gleiche sein würde wie in der kapitalistischen Gesellschaft. Michel Foucault führt in seiner Kritik des Stalinismus aus, dass die Arbeiterbewegung sich als eine Art Abstammungsgemeinschaft dachte, und erklärt aus dieser Tradition den Nationalismus und die Biopolitik der späteren Sowjetunion. Der Vortrag wird ausloten, inwieweit sich der postmoderne Ansatz Foucaults und der kritisch-theoretische von Postone miteinander verknüpfen lassen.
Olaf Kistenmacher studierte Philosophie, Geschichte und Psychologie. 2011 promovierte er an der Universität Bremen zum Thema: Arbeit und „jüdisches Kapital“. Antisemitische Aussagen in der Tageszeitung der KPD, Die Rote Fahne, während der Weimarer Republik, 1918 bis 1933.
Veröffentlichungen:
Schuldabwehr als Motiv für Israel-Feindschaft in der politischen Linken?, in: Associazione delle talpe/Rosa-Luxemburg-Initiative Bremen (Hg.): Maulwurfsarbeit II. Aufklärung und Debatte, Kritik und Subversion, Berlin: Rosa-Luxemburg-Stiftung 2012, S. 51-60.
/mit Sina Arnold: Die üblichen Verdächtigen. Der Fall Ethel und Julius Rosenberg, in: Jungle World 28, 11. Juli 2013.
Eine Veranstaltung des Bundesarbeitskreis Shalom der Linksjugend [’solid] im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu-Antonio-Stiftung.
Wann?
13. Dezember 2013 (Freitag), 19:30 Uhr
Wo?
Jugend- und Wahlkreisbüro Haskala, Saalstraße 38, 07318 Saalfeld