Saalfeld: 15. Todestag – Im Gedenken an Jana G.

janagEingreifen statt wegschauen, rechte Gewalt wahrnehmen und Naziterror entgegentreten!

Am 26. März 1998 wurde die damals 14-jährige linksalternative Jana G. im Stadtteil Gorndorf auf dem Weg ins Klubhaus der Jugend in Saalfeld von einer Gruppe jugendlicher Neonazis aufgehalten und in ein Streitgespräch verwickelt, daraufhin zog einer von ihnen ein Messer und stach mehrfach auf sie ein, traf dabei Hals und Nieren. Sie verstarb bereits 15 Minuten später am Tatort*. Wenige Tage zuvor demonstrierten in Saalfeld mehrere Tausend Menschen aus der gesamten Bundesrepublik gegen den rechten Konsens und das Verbot einer antifaschistischen Demonstration, welches im Oktober 1997 von den Sicherheitsbehörden in massiver Form durchgesetzt wurde und mehrere Hundert Festnahmen von Nazigegner_innen zur Folge hatte.

Bereits seit Anfang 1990 wuchs die Region um Saalfeld-Rudolstadt zur Hochburg der rechten Szene. Wöchentliche Treffen, Übergriffe und Aktionen von Nazis gehörten zur traurigen Routine. Das Neonazi-Sammelbecken „Thüringer Heimatschutz“ (THS) hatte hier seinen Ursprung und Schwerpunkt, aus ihm ging später der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) hervor. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe waren damals oft in der Saale-Region unterwegs und beteiligt an zahlreichen Naziaktionen, Rechtsrock-Konzerten und Übergriffen im Landkreis.

Während in vier Wochen der NSU-Prozess in München beginnt, entwickelt sich die Saalfelder Neonazi-Szene schon seit über einem Jahr zum Zentrum der braunen Unterstützergruppe für einen der derzeit inhaftierten NSU-Helfer, mit Rechtsrock-Konzerten, Spendensammlungen und Internetkampagnen. In den letzten Jahren organisierten sie hier bereits mehrere dutzend Neonazi-Veranstaltungen und Aktionen.

Um die rechte Szene in Saalfeld ist es nie ruhig geworden, erst Ende 2012 kam es zu mehreren Übergriffen und im Frühjahr 2013 schließlich zu einem erneuten Messerangriff von Neonazis in der Innenstadt. Der Angreifer solidarisierte sich im Vorfeld unverhohlen im Internet mit dem NSU-Helfer Wohlleben und brachte seine Ideologie unmissverständlich zum
Ausdruck.

Rechte Gewalt wurde seit jeher auch in Saalfeld zumeist verharmlost und als pure „Jugendrivalität“ relativiert. Auch im Fall von Jana G. wurde und wird zuweilen eine politische Motivation von vielen negiert und das obwohl bekannt war, dass der jugendliche Täter das Opfer im Vorfeld als „Zecke“ und „Zeckenschlampe“ beschimpfte. Gegenüber der Polizei gab er später als Motiv Rache für eine Beschimpfung durch das Opfer an, sie hätte ihn ein halbes Jahr zuvor als „Scheißfascho“ bezeichnet*.

Heute sind über 182 Menschen bekannt, die seit der Wende aus nationalistischen, rassistischen oder sozialdarwinistischen Motiven getötet wurden. Die Bundesregierung erkennt die politische Motivation bei 119 der Fälle bis heute nicht an, darunter auch den Tod von Jana G., was seit Jahren von zivilgesellschaftlichen Gruppen und Opferberatungsstellen moniert wird.

Wir rufen deshalb dazu auf, am Dienstag dem 26. März 2013 der von Nazis getöteten Jana G. in Saalfeld zu gedenken. Wir wollen damit ein Zeichen gegen das ständige Verdrängen, Vergessen und Relativieren setzen. Eingreifen statt wegschauen, rechte Gewalt wahrnehmen und Naziterror entgegentreten! Kundgebung am Dienstag 26. März 2013, 14 Uhr in der Saalfelder Fußgängerzone auf dem Marktplatz gegenüber dem Rathaus. Antifaschistisches Jugendbündnis Saalfeld.

25. März 2013: Heute Abend erreichte uns noch eine kurzfristige Mitteilung der Veranstalter, welche die Kundgebung abgesagt haben. Wir dokumentieren hier kurz die Erklärung vom Antifaschistisches Jugendbündnis Saalfeld:

„Kundgebung ABGESAGT!

Die Kundgebung anlässlich der 15. Jährung, der Tötung von Jana G. morgen am Dienstag den 26.3.2013, wird nach reichlicher Überlegung und einigem Kopfzerbrechen abgesagt. Da viele Stimmen laut geworden sind, die der Politisierung des Vorfalles entgegen sprechen, sind wir zu dem Entschluss gekommen die Kundgebung abzusagen. Wir wollen dieses tragische Ereignis weder in ein falsches Licht rücken noch für irgendwelche Zwecke missbrauchen, auch wenn der Charakter zweifelsfrei für uns feststeht und nicht unter den Teppich gekehrt werden darf. Auch die Eltern des Opfers sprechen sich deutlich gegen die öffentliche Anteilnahme aus. Dies soll jedoch nicht heißen, dass es vergeben und vergessen sein sollte. Ganz im Gegenteil ändert diese Tatsache nichts daran, dass der Täter ganz offensichtlich Neonazi war/ist und obgleich er „dazu“ gehörte oder nicht akzeptiert wurde: Die Tat ist ein Beweis für die Gefahr und Skrupellosigkeit solcher Menschen. Egal ob Mitläufer oder aktiver Kamerad, egal ob „geistig umnachtet“ oder klar bei Bewusstsein, es kann und darf nicht sein, dass Taten wie diese als Jugendrivalität bagatellisiert werden. Unsere Meinung zum Umgang mit diesem Verbrechen hat sich nicht geändert, wir sehen uns lediglich den Angehörigen des Opfers gegenüber zu einer pietätvollen Handhabung verpflichtet.“

* basierend auf damaligen Pressenberichten, Videos, Zeugenaussagen und der Aussage des Täters sowie Dokumentationen von Beratungsstellen für Opfer von rechter Gewalt.

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