Am 3. August 2014 überfiel die Terrormiliz „Islamischer Staat“ das Siedlungsgebiet der Jesiden im Sindschar-Gebirge im Nordirak. Zehntausende Menschen flohen vor dem Terror, der IS ermordete systematisch tausende Männer und verschleppte, folterte und versklavte jesidische Frauen und Kinder. Ungefähr 3000 Menschen werden bis heute vermisst. Der Bundestag hat zwar die Verbrechen des IS an den Jesiden im Januar 2023 als Völkermord anerkannt, doch ein Bleiberecht für Jesidinnen und Jesiden folgte der Anerkennung des Völkermords bis heute nicht. Katharina König-Preuss, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag, erklärt anlässlich des 10. Jahrestages des Genozids an den Jesiden:
„Es ist unsere Verantwortung, den Genozid an den Jesiden nicht nur anzuerkennen, sondern auch die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Die Anerkennung des Völkermordes muss endlich in konkretes Handeln überführt werden: Den hier lebenden Jesidinnen und Jesiden müssen Schutz und ein dauerhaftes Bleiberecht gewährt werden. Dieser Genozid war und ist auch ein Femizid, der bisher auf viel zu wenig öffentliche Empörung stößt.“
König-Preuss betont, dass ein im Januar 2023 verschickter Brief des Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringens, Reinhard Schramm, und der Vorsitzenden des Freundeskreises Israel im Thüringer Landtag an Bundeskanzler Olaf Scholz und andere Politikerinnen und Politiker bis heute unbeantwortet blieb. „Wir hatten bereits damals die Bundesregierung gebeten, das Bleiberecht für die hier lebenden Jesidinnen und Jesiden umzusetzen. Dass es mehr als ein Jahr später und nach der Anerkennung des Genozids immer noch keine Antwort, keine Reaktion und vor allem kein Bleiberecht gibt, ist erschütternd. Dass den richtigen Worten aus der Bundesregierung keine entsprechenden politischen Handlungen folgen, ist ein Armutezeugnis für die Ampelregierung“, hält die Abgeordnete fest.
„In Deutschland ist die Zugehörigkeit zur jesidischen Religionsgemeinschaft trotz anhaltender Verfolgung kein anerkannter Asylgrund. Anträge werden oft abgelehnt und die Betroffenen fürchten die Abschiebung“, erklärt König-Preuss. Sie kritisiert die Abschiebungen von Jesiden in Regionen, in denen sie verfolgt wurden. „Es finden nicht erst seit Kurzem wieder Sammelabschiebungen in den Irak statt, die auch Jesiden betreffen. Es ist absolut unverständlich, warum der Anerkennung des Genozids bisher kein Bleiberecht gefolgt ist“, so Katharina König-Preuss.
Die Abgeordnete lobt den Einsatz des Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der sich im Dezember vergangenen Jahres für einen sicheren Aufenthaltsstatus für Jesiden aus humanitären Gründen einsetzte. Doch auch die Antwort der Bundesinnenministerin Anfang Februar 2024 zeigte, dass ein nationales Abschiebungsverbot weiter ausbleiben wird. Die Hoffnung, dass bis heute – dem 10. Jahrestag des Genozids – ein Umdenken und konsequentes Handeln der Bundesregierung erreicht wird, wurde bitter enttäuscht. „Noch immer wird die ethnische und religiöse Identität der Jesiden im Asylverfahren nicht geltend gemacht. Bemühungen verschiedenster Akteure auf der Landesebene waren nicht erfolgreich, weil sie in Berlin in den Wind geschlagen werden. Es ist ein unverständlicher und trauriger Zustand. Anscheinend gerät in der gegenwärtigen politischen Debatte immer mehr in Vergessenheit, dass das deutsche Asylrecht eine Konsequenz aus der Shoah ist. Wenn wir ‚Nie wieder!‘ ernst nehmen, stellt sich die Frage danach, ob unser Asylrecht das jesidische Volk als Völkermord-Opfer schützen sollte, erst gar nicht. Es beschämt mich, dass dies offenkundig keinen Konsens in der Bundesregierung findet“, so die Abgeordnete abschließend.