In dieser Woche erschien der 12. Band der Schriftenreihe „Wissen schafft Demokratie“ des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) zu Anfeindungen auf kommunaler Ebene in Thüringen. Dazu erklärt Katharina König-Preuss, Sprecherin für Antifaschismus der Fraktion DIE LINKE im Thüringer Landtag: „Die nun vorliegende erste methodische Erhebung für Thüringen gibt hilfreiche Einblicke zum Ausmaß von Bedrohungen, Einschüchterungsversuchen und Angriffen auf kommunalpolitische Amtsträgerinnen und –amtsträger sowie Kommunalpolitikerinnen und –politiker. 73 der 129 Teilnehmende der Studie gaben an, in den letzten 5 Jahren Anfeindungen erlebt zu haben (57 %). Von diesen Betroffenen wurden durchweg alle mit Beleidigungen angefeindet, 74 % waren sogar mit Bedrohungen konfrontiert, 49 % mit Sachbeschädigungen und 15 % mit Gewalt. Dass mehr als die Hälfte aller gesamten Befragten keinerlei Unterstützungsangebote in ihrem Arbeitsumfeld kennen und nur 5 % überhaupt der Betroffenen überhaupt professionelle Melde- oder Beratungsstelle kontaktierten, macht den Handlungsbedarf deutlich: Wir müssen Betroffene besser unterstützen und dafür die existierenden Angebote weiter ausbauen und bewerben.“
Besonders oft seien auch E-Mails und Briefe mit beleidigenden und/oder bedrohenden Inhalten beschrieben worden. Die Studienautoren resümieren, dass Anfeindungen in sozialen Medien zugenommen hätten und dies längst nicht mehr ausschließlich durch anonym agierende Personen geschehe, sondern Anfeindungen auch ganz offen unter Klarnamen getätigt werden. König-Preuss weiter: „Es ist ein erschreckendes Alarmzeichen, dass ein Viertel der kommunalpolitisch Aktiven, die von Anfeindungen betroffen sind, selbst den beruflichen Rückzug in sozialen Medien antreten und ein Drittel sich virtuell sogar privat einschränkt. Einzelne berichteten gar von Auswirkungen im familiären Bereich. Hier kann die neue, von Rot-Rot-Grün auf den Weg gebrachte Beratungsstelle Hatespeech als ein Baustein aktiv werden, mit deren Aufbau nun endlich begonnen werden kann und deren Mittel wir im Haushalt 2023 verdoppelt haben.“
Anfeindungen in Form von verbalen und schriftlichen Beleidigungen bilden den größten Teil, Studienteilnehmer:innen berichteten aber auch, dass sie bspw. nach der Zustellung einer Nutzungsuntersagung für ein beabsichtigtes Rechtsrockkonzert bedroht wurden. Ebenso gab es antisemitische Beleidigungen, weil ein Rathaus nach dem Beginn des russischen Überfalls in ukrainischen Farben angeleuchtet wurde. Es wurden auch versuchte Angriffe oder Handgreiflichkeiten geschildert, etwa in der Eingriffsverwaltung z. B. im Kinder- und Jugendschutz, im Tierschutz oder in der Lebensmittelüberwachung. Sascha Bilay, innen- und kommunalpolitischer Sprecher der Linksfraktion: „Dass nur jeder zweite Betroffene sich überhaupt mit Vorgesetzten oder Kollegen zu den Anfeindungen austauscht und einzelne von behördeninternen Bagatellisierungen sprechen, ist ein Problem. Die Mitarbeitenden sollten ermutigt und unterstützt werden, das Bewusstsein in den Dienststellen gilt es zu stärken. Dazu könnten neben den Verwaltungen und Behörden selbst auch der Gemeinde- und Städtebund sowie der Landkreistag einen Beitrag leisten und adäquate Fortbildungsmöglichkeiten anbieten.“
Über die Hälfte der Befragten berichteten von einer erlebten Zunahme an Anfeindungen seit Beginn der Corona-Pandemie, beispielhaft wurde vor einer Montagsdemonstration vor einem privaten Wohnhaus und angekündigten ‚Besuchen‘ in sozialen Medien berichtet. König-Preuss und Bilay abschließend: „Menschen, die in der Kommunalverwaltung und Kommunalpolitik tätig sind, setzen sich in erster Linie für unser Gemeinwohl ein und dafür, dass oftmals als selbstverständlich begriffene Strukturen im Alltag überhaupt funktionieren. Anfeindungen gegen sie stellen sind kein individuelles Problem, sondern eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft dar, entsprechend müssen diese Menschen auch angemessen geschützt werden. Polizei und Justiz müssen hier mit Nachdruck in der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung aktiv werden, das gilt noch viel mehr, wenn sich Angriffe auch in das Privatleben verlagern.“
Die Studienergebnisse sind hier (externer Link zum IDZ)abrufbar