Mehrfach betonte Ralf Wohlleben in seiner heutigen Aussage im NSU-Prozess, er sei das eigentliche Opfer, insbesondere durch „linke Gewalt“ in Jena und durch „dreiste Lügen und Unterstellungen“ im Verfahren gewesen. Katharina König, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss erklärt dazu: „Für jene, die in den 1990er Jahren in Jena die alltäglichen Gewaltausbrüche und die Schaffung von ‚national befreiten Zonen‘ durch die Gruppe um Wohlleben, Kapke, Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ertragen mussten, sind die Ausflüchte von Wohlleben ebenso wie für die Angehörigen der NSU-Opfer der blanke Hohn.“
Gegenüber einem Wissenschaftler habe Wohlleben bereits 2002 davon berichtet, zu Beginn der 1990er Jahre an Angriffen mit Baseballschlägern auf Linke beteiligt gewesen, erläutert die Abgeordnete. Gegen seine vermeintlich pazifistische Selbstdarstellung spreche ebenso, dass Wohlleben selber mehrfach zu Freiheitsstrafen auf Bewährung u.a. wegen Körperverletzung verurteilt wurde. Bei dem von ihm organisierten „Fest der Völker“ in Jena traten wiederholt Bands aus dem internationalen „Blood and Honour“ Spektrum auf, die gewaltverherrlichende Botschaften transportierten.
„Dass Ralf Wohlleben versucht, dies als multikulturelles Happening umzudeuten ist angesichts der transportierten Botschaften wie ‚Tötet alle Juden, bringt sie um‘ pure Relativierung eines neonazistischen, antisemitischen und rassistischen Rechtsrock-Festivals“, so König.
Klar zutage getreten sei auch das Interesse Wohllebens, sich bei Zschäpe zu revanchieren. Wie diese in ihrer Aussage tunlichst vermieden habe, Wohlleben zu belasten, könne man auch bei Wohllebens Einlassung beobachten, wie Zschäpes Rolle heruntergespielt werde.
„Wohlleben unterstützt die Prozessstrategie der Hauptangeklagten Zschäpe, die von ihm – entgegen vieler anderer Zeugenaussagen – verharmlosend als ‚Anhängsel‘ bezeichnet wurde, obwohl sie bereits 1994 rechtsextreme Zeitungen abonnierte, im Februar 1995 eine Demonstration der rechtsextremen Szene angemeldet hatte und ab 1996 die Mieterin der konspirativen Bombenwerkstatt war“, erklärt Katharina König. Er folge damit der klassischen Strategie von Neonazis, eine Täter-Opfer-Umkehr vorzunehmen, welche insbesondere für die Opferangehörigen erneut ein Schlag ins Gesicht ist.
Für den Thüringer Untersuchungsausschuss stelle sich jedoch die Frage, wie es sein konnte, dass trotz vermeintlich intensiver Ermittlungen und Überwachungsmaßnahmen nach dem Untertauchen des Trios weder Polizei noch Verfassungsschutz von den heute eingeräumten Unterstützungsaktivitäten Wohllebens und dessen Freundeskreises aus der „Kameradschaft Jena“ Kenntnis bekommen haben wollen.
Neue Informationen habe die überraschende heutige Aussage von Ralf Wohlleben hingegen nicht erbracht. Überraschend sei der Zeitpunkt der Aussage dann wohl auch nur für Prozessbeobachter und die Nebenklage, nicht aber für rechtsextreme Unterstützer von Wohlleben, die als Besucher der Verhandlung beiwohnten.
„Offensichtlich und wie auch schon durch die Erklärung seiner Verteidiger im Vorfeld absehbar, war die Aussage mit seinen Unterstützern in der Neonaziszene abgesprochen, anders ist nicht zu erklären, dass unter den heutigen Prozessbesuchern u.a. Vertreter der ‚Hammerskins‘ waren“, betont die Abgeordnete.
Hinter der Aussage stehe offenkundig nicht das Interesse an Wahrheit, Aufklärung oder Reue gegenüber den Opferangehörigen, sondern – wie Wohlleben selbst eingeräumt habe – eine Notwehrhandlung eines ideologischen Rechtsextremisten, der sich und seine Szene zu schützen versucht. „Ich bin überzeugt, dass sich das Gericht von dieser Ablenkungsstrategie nicht hinters Licht führen lassen wird“, so König abschließend.