„Sollte es zutreffen, dass am kommenden Sonntag ein von Neonazis organisierter Aufmarsch mit Fackeln vor oder in der Nähe der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Rudolstadt stattfinden kann, dann ist dies nicht nur ein fatales Signal an die rechten Hetzer und Brandstifter, sondern leistet einen Beitrag zu einer möglichen Retraumatisierung von Flüchlingen“, betont Katharina König, zuständige Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Seit mehreren Tagen mobilisiert die Neonazi-Szene zu einem Fackelmarsch in Rudolstadt. Startpunkt soll ausgerechnet am „Platz der Opfer des Faschismus“ (Busbahnhof) sein, wo erst am 7. Oktober ein jugendlicher Syrer Opfer einer rassistischen Attacke wurde und leicht verletzt wurde. Geplant sei eine Umrundung der Gemeinschaftsunterkunft. Erst am 2. Oktober fand ein von einer Saalfelder NPD-Kreisrätin angemeldeter rassistischer Aufmarsch in der Nähe der Unterkunft statt, an dem etwa 350 Personen, darunter viele Neonazis teilnahmen. Seitdem gab es eine Steigerung von neonazistischen Vorfällen und Übergriffen in der Region. Die Abgeordnete hat dazu für die Plenarsitzung des Thüringer Landtages in der kommenden Woche eine mündliche Anfrage eingereicht.
„Solche rassistischen Proteste tragen an sich schon zu einem Entstehen von temporären und lokalen Angsträumen bei. Wenn diese allerdings auch noch an Unterkünften von Flüchtlingen oder in deren Umgebung vorbeiführen und die Teilnehmer_innen dabei zusätzlich Fackeln tragen, mag man sich kaum ausmalen, was in den Köpfen der geflüchteten Menschen vorgehen muss. Menschen, die aus ausgebrannten oder zerbombten Städten fliehen mussten, müssen nun erneut befürchten, dass ihre neue Unterkunft wie über 60 andere geplante und bewohnte Unterkünfte in Deutschland in diesem Jahr Ziel eines Brandanschlages wird. Wenn wir so etwas dulden, dann leistet das einer Retraumatisierung Vorschub“, so die Abgeordnete König, die an die Sensibilität der Zuständigen appelliert, hier die richtige Entscheidung zu treffen.
„Egal, ob die Nazis mit oder ohne Fackeln laufen, es bleibt zu hoffen, dass auch die Rudolstädter entschieden Nein sagen, sich den Neonazis entgegenstellen und den Geflüchteten solidarisch zur Seite stehen“, macht Katharina König deutlich, die den Aufruf vom Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt unterstützt und ebenso dazu aufruft, sich an den Protesten gegen den Fackelmarsch der Neonazis zu beteiligen. Gegenproteste finden ab 17.00 Uhr u.a. am Markt und nahe der Gemeinschaftsunterkunft statt.
—————-
Nach Neonazi-Schmierereien und gewalttätigen Übergriffen plant die rechte Szene in den nächsten Wochen erneut Aufmärsche in Saalfeld und Rudolstadt. Das Bündnis „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt ruft dazu auf, gegen Menschenfeindlichkeit und Rassismus Gesicht zu zeigen. „Es zeigt sich, dass Neonazis derzeit immer enthemmter auftreten. Dass sie angesichts der beinahe täglichen Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland nun offiziell auch einen Fackelmarsch am kommenden Sonntag zur neuen Rudolstädter Gemeinschaftsunterkunft angemeldet haben und damit in der rechten Szene eifrig werben, sollte Zivilgesellschaft, Verwaltung, Politik sowie Sicherheitsbehörden gleichermaßen alarmieren“ so Uta Schmid, Sprecherin des Bündnisses „Zivilcourage und Menschenrechte“ im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt. Die vorgesehene Route der Nazis soll vom Busbahnhof zum alten Krankenhaus führen, in dem seit August Geflüchtete untergebracht sind. „Als wären die rechten Hassparolen, die Hakenkreuze, die gewalttätigen Attacken und Morddrohungen in den vergangenen Wochen in unserer Region nicht schon Grenzüberschreitungen genug. Wer jetzt mit Fackeln gegen eine Flüchtlingsunterkunft marschieren will, steht den rechten, geistigen und tatsächlichen Brandstifter*innen in nichts nach.“
Das Bündnis äußert zudem Sicherheitsbedenken für den kommenden Sonntag. „Die über 100 Neonazi-Aufmärsche in diesem Jahr in Thüringen fanden in der Regel Montags und Samstags statt. Dass nun seltsamerweise an einem Sonntag demonstriert werden soll, könnte mit dem Fußballspiel eines Leipziger Vereins am gleichen Nachmittag in Rudolstadt zusammenhängen. Dieser ist für sein besonders rechtsradikales und gewalttätiges Hooliganumfeld bekannt“, so Thomas Endter. Bei den Organisator*innen von „Wir lieben Ostthüringen“ bestehen Kontakte zur sächsischen Hooliganszene. Dem Bündnis liegen Fotos vor, wonach die Drahtzieher*innen der geplanten Demo in Rudolstadt, am 31. Juli 2015 im sächsischen Freital gemeinsam mit anderen rechten Hooligans mitmischten. Dort kam es über mehrere Wochen zu rassistischen Demonstrationen, aber auch Anschlägen und Gewalttaten gegen Geflüchtete.
„Sollten nun Neonazis, rechte Hooligans und selbsternannte „besorgte Bürger“™ mit Fackeln am Wochenende durch Rudolstadt marschieren, entsteht eine gefährliche Mischung. Hier sind insbesondere Polizei und Versammlungsbehörde gefragt, diesem Treiben unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts enge Grenzen zu setzen. Wenn der Aufmarsch nicht schon in Gänze zu verhindern ist, so können dennoch die Fackeln per Auflage verboten werden“, so die Sprecher*innen Uta Schmid und Thomas Endter. Sowohl die gesprühten Hassparolen und Hakenkreuze an der Außenmauer der Unterkunft, als auch die Übergriffe in den letzten Wochen und die Äußerungen in sozialen Netzwerken, begründen eine entsprechende Gefahrenprognose. In der Facebook-Gruppe „Pegida Saalfeld-Rudolstadt“ wurde vor einigen Tagen unwidersprochen angeregt, „Quecksilber in den Heizkörpern“ der Flüchtlingsunterkunft in Unterwellenborn zu platzieren. Es wurde gefragt, ob da „nicht mal ne Gasleitung kaputt gehen“ könne. Mehrere Mitveranstalter*innen der beiden rechten Demonstrationen riefen in den letzten Wochen zum Barrikadenbau gegen Geflüchtete auf. Des Weiteren wurde erst vor wenigen Tagen bekannt, dass die in Bamberg wegen geplanten Bombenanschlägen auf Flüchtlingsunterkünfte verhafteten Neonazis am 1. Mai 2015 in Saalfeld mit einem eigenen Block marschierten.
„Politik und Zivilgesellschaft dürfen nicht schweigen, sondern müssen sich diesem menschenverachtenden Treiben entgegenstellen und deutlich machen, dass wir für eine weltoffene, vielfältige Gesellschaft ohne Ausgrenzung einstehen“, so die beiden Sprecher*innen, welche die Bevölkerung zur Beteiligung an Protesten aufrufen. In Rudolstadt wird es am 1. November ab dem Nachmittag, spätestens 17 Uhr, mindestens zwei Kundgebungen geben: Eine auf dem Markt und eine zur Solidarität mit den Geflüchteten vor dem alten Krankenhaus. Auch in Saalfeld wird es am 16. November Proteste geben, unter anderem ab 17 Uhr auf dem Markt. „Kreativer, bunter Protest und alles was Krach macht, Trillerpfeifen und Töpfe sind dabei ausdrücklich willkommen“, so Herr Endter und Frau Schmid abschließend.