Ich twittere. Mal mehr, mal weniger, mal pointiert, mal zugespitzt, mal zynisch, mal daneben, mal lustig, mal interessant, mal langweilig und bereits bekannt. Ich reagiere meistens auf replies. Und ja, ich rege mich per twitter auf bzw. habe in 140 Zeichen auch mal einen emotionalen Ausbruch. Passiert mir mehrfach. In letzter Zeit rege ich mich oft auf. Über häufig einseitige Berichterstattung zu Rot-Rot-Grün in Thüringen. Über tagein tagaus ähnliche Kommentare und immer wieder dieselben Personen, die von Journalisten zu den Gefahren einer rot-rot-grünen Koalition befragt werden.
Ich habe getwittert: „Wer in Thüringen nicht tagein tagaus dieselbe bereits langweilige Hetze gegen #r2g lesen will kann grad nur 1 Zeitung lesen: @freieswort #ff“
Am 28. Oktober 2014 um 22:05 Uhr. Der tweet wurde wenige Male retweetet, etwas mehr gefavt und es gab Reaktionen, die den Sprachgebrauch „Hetze“ hinterfragten. Ich konkretisierte, dass es nicht um Presse allgemein und generell, sondern um zwei Journalisten gehe. Der „Hinterfrager“ blieb zurecht hartnäckig und kritisierte kurz vor Mitternacht erneut den Sprachgebrauch „Hetze“.
Er hatte Recht. Ich stimmte ihm zu, entschuldigte mich per twitter ca. 4 Stunden später, um 03:57 Uhr früh, als der Tag begann. „@HerrBeer ok, richtig. Wort ist falsch gewählt. Sorry. Ich nehm’s zurück & nenn es tagein tagaus dieselbe, m.E. platte Kritik.“
Am Donnerstag nachmittag kam eine Mail des Online-Chefs der Thüringer Allgemeinen, Herrn Jan Hollitzer. Nicht zu mir. Nein, er fragte sowohl DIE LINKE Thüringen als auch DIE LINKE-Fraktion im Thüringer Landtag an, wie diese meine tweets bewerten würden: „ausgehend von einer Diskussion auf Twitter, bei der Katharina König als Mitglied des Thüringer Landtages für die Linke in Erscheinung tretend Journalisten und Medien mit dem Wort „Hetze“ in Verbindung bringt, bitte ich Sie um schnellstmögliche Antwort auf folgende Fragen“. Schade, dass er offenkundig genau den Tweet mit meiner Rücknahme und Entschuldigung für die Einordnung als „Hetze“ übersehen hat (obwohl dieser im von ihm verlinkten tweetverlauf sichtbar ist). Es folgten mehrere Screenshots meiner tweets, sowie ein Foto meines Abgeordnetenkollegen Christian Schaft in einem „No <3 for a nation“ T-Shirt verbunden mit der Frage: „Was bedeutet die Aufschrift auf dem T-Shirt von Christian Schaft?“.
Der Online-Chef der Thüringer Allgemeinen kontaktierte mich weder per twitter (er folgt mir sogar, wie ich zwischenzeitlich festgestellt habe), noch per mail, noch per Handy. Er konfrontierte sozusagen die „Vorgesetzten“ und forderte diese zu einer „schnellstmöglichen“ Antwort auf.
Die Pressestelle der Landtagsfraktion antwortete ihm:
„Sehr geehrter Herr Hollitzer,
in Ihrer Anfrage beziehen Sie sich auf den persönlichen Twitter-Account von Katharina König, nicht auf den der LINKEN! So sind auch die Tweets einzuordnen. Sie können gern über die Pressestelle Stellungnahmen zu den Fraktionstweets erfragen.
Bei der „Bewertung“ von Tweets sollte der Charakter von Twitter als besonderes Medium beachtet werden: Twitter ist äußerst schnelllebig, Botschaften werden auf maximal 140 Zeichen reduziert und Twitter ist nicht zuletzt individuell.Durch die Knappheit der Zeichenzahl wird in Twitter noch mehr als in anderen Medien durch Übertreibung und Zuspitzung versucht, einen Gedanken anschaulich zu machen. Sicherlich ließe sich eine bestimmte Position in einer Pressemitteilung sehr viel differenzierter ausdrücken. Gleichzeitig sollte Kritik an Medien in sachlicher Form auch durch Abgeordnete jederzeit möglich sein. Im Übrigen ist Ihnen offenbar entgangen, dass Katharina König sich für den genannten Teil des Tweets entschuldigt und diesen zurückgenommen hat.
Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an Frau König. Sie ist erreichbar unter 0179/xxx.
Die Frage zum T-Shirt-Aufdruck bitte ich, mit Christian Schaft direkt zu besprechen. Seine Mailadresse lautet schaft@die-linke-thl.de
Mit freundlichen Grüßen,
Diana Glöckner“
Am Donnerstag Abend, kurz vor 18:00 Uhr – ich befand mich zu einen NSU-Vortrag in Altenburg – bekam ich dann vom Online-Chef der Thüringer Allgemeinen eine leicht veränderte Version der mail, welche bereits an die Pressestelle gegangen war mit Screenshots meiner tweets sowie dazugehöriger Fragen.
Vorab: Bereits 1,5 Tage bevor er eine „Story“ entdeckte und eine Mail an Fraktion und Partei schickte, hatte ich mich für die Begrifflichkeit „Hetze“ entschuldigt – insofern sehe ich eigentlich keine Notwendigkeit mehr, die dazu gestellten Fragen zu beantworten. Herr Hollitzer hatte aber im Durchschauen meines twitter-accounts zurück bis mindestens in den Januar 2014 noch mehr tweets gefunden. Unter anderem einen tweet, in dem ich den mdr dafür kritisierte, dass er die Teilnehmer der Ausschreitungen in Köln als „radikale Fußballfans“ einordnete und den mdr deswegen als „echt schlecht“ bezeichnete. Herr Hollitzer will wissen:
1. Sehen Sie durch derartige Beschimpfung der Medien von Mitgliedern des Thüringer Landtages nicht die Gefahr, die Wahrnehmung einer unabhängigen Presse durch die Bevölkerung zu beeinflussen?
2. Widersprechen derartige Äußerungen nicht den Ausführung im Kapitel 2 des Wahlprogrammes der Linken zur Landtagswahl 2014: „Die Linke Thüringen ist sich bewusst, dass Medienkommunikation und Information unsere Wissenshorizonte prägen und existenziell Grundfragen demokratischer Beteiligung berühren. Sie sollen Aufklärung und Bildung fördern, Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung an politischen Entscheidungen befähigen und stellen einen gesellschaftlichen Kontrollmechanismus dar. Medien müssen der Gesellschaft und dem Individuum die Möglichkeit geben, sich vielstimmig zu artikulieren.“
Wissen Sie, Herr Hollitzer, es waren Nazis und Rassisten in Köln. Medien, die sich nicht allein auf die Beurteilung der Polizei verließen, thematisierten bereits am Sonntag, dass es die größte Demonstration von Neonazis in den vergangenen Jahren war. Wenn ich was „echt schlecht“ finde, dann ist es u.a., wenn Nazis nicht als Nazis und Rassisten nicht als Rassisten bezeichnet werden und damit erneut Situationen falsch dargestellt und neonazistische Gefahren verharmlost werden. Wenn ich was „echt schlecht“ finde, dann ist es die fehlende Recherche von einigen Medien insbesondere in Bezug auf Strukturen und Aktivitäten und Benennung von Neonazis und Rassisten. Und da passt der Auszug aus unserem Wahlprogramm prima, denn Medienkommunikation soll „Bildung und Aufklärung“ fördern.
Herr Holitzer „entdeckte“ aber auch noch einen weiteren Tweet vom 24. Januar (!) 2014: „Journalisten auf Liste unangenehmer Anrufer setzen #check“ Und fragte:
1. Sehen Sie durch derartige Beschimpfung der Medien von Mitgliedern des Thüringer Landtages nicht die Gefahr, die Wahrnehmung einer unabhängigen Presse durch die Bevölkerung zu beeinflussen?
2. Widersprechen derartige Äußerungen nicht den Ausführung im Kapitel 2 des Wahlprogrammes der Linken zur Landtagswahl 2014: „Die Linke Thüringen ist sich bewusst, dass Medienkommunikation und Information unsere Wissenshorizonte prägen und existenziell Grundfragen demokratischer Beteiligung berühren. Sie sollen Aufklärung und Bildung fördern, Bürgerinnen und Bürger zur Beteiligung an politischen Entscheidungen befähigen und stellen einen gesellschaftlichen Kontrollmechanismus dar. Medien müssen der Gesellschaft und dem Individuum die Möglichkeit geben, sich vielstimmig zu artikulieren.“
Ach Herr Hollitzer, ja, es gibt auch unangenehme Journalisten. Das ist im übrigen keine Beschimpfung. Ja, und die Sache mit dem Wahlprogramm hatten wir ja schon.
Kommen wir zum ausgesprochen lustigen Teil der Fragen: Die „Biertweets“.
Auf twitter gibt es häufiger „Spiele“. Aktuell bspw. unter dem hashtag #mediengrusel. Im Sommer gab es eines, welches zum Ziel hatte, Demosprüche auf Bier umzuformulieren. Nicht nur ich hatte an diesem Abend viel Spaß wegen sehr lustiger tweets. U.a. twitterte ich: „Bier, Nation, Kapital – Scheiße!“ Herr Hollitzer will nun wissen: „Was wollten Sie mit diesem Tweet zum Ausdruck bringen?“ Ich wollte beim „Bierspiel“ auf twitter mitmachen, Herr Hollitzer. Nichts anderes. Und ganz ehrlich: ich hatte wirklich Spaß an diesem Abend. Dabei trinke ich nicht mal Bier. Da Sie ja meinen twitteraccount sehr ausführlich durchforscht haben, hätten Sie auch registrieren können, dass es ein „Spiel“ war, an dem diverse twitteraccounts teilnahmen und deren Biertweets ich teils retweetete. Achja, ich twitterte mehrfach zum „Bierspiel“. Herr Hollitzer hat einen weiteren meiner tweets aus dem Spiel gefunden: „Bier, Bier, Bier wider Deutschland!“. Er hat 2 Fragen zum tweet, Nämlich:
1. Was wollten Sie mit diesem Tweet zum Ausdruck bringen?
2. Kann dieser Tweet als Hetze verstanden werden?
Ach Herr Hollitzer. Was soll ich Ihnen als Online-Chef der Thüringer Allgemeinen denn darauf antworten? Wie diese Spiele auf twitter funktionieren? Oder wie ernst diese Spiele zu nehmen sind? Ich gehe davon aus, dass Sie als Online-Chef Kenntnis davon haben. Und die Antwort auf Frage 2 überlasse ich gleich ganz Ihnen, denn irgendwer wird sowieso widersprechen, wenn ich nein sage. Denn es kann so ziemlich alles als so ziemlich alles verstanden werden, wenn es nur einer behauptet. Und sei es allein schon durch die Fragestellung.